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Wenn nur noch Asche bleibt

Wenn nur noch Asche bleibt

Titel: Wenn nur noch Asche bleibt
Autoren: Britta Strauss
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Ein lebendes Relikt, von dem er so viel hätte erfahren können. Doch auf ihn wartete sein Schicksal und es gab niemanden, der ihn davon abhalten würde, es sich zu nehmen.
    Wieder trat er vor den Quader, streckte den Arm aus und berührte den summenden Kristall. Energie durchfloss ihn mit der Wucht einer Flutwelle. Seine Finger glitten in den Stein, schienen von ihm aufgesogen zu werden.
    Nur denen gibt der Kristall seine Kraft, die würdig sind, sein Herz zu berühren
.
    Greg hörte seinen eigenen Schrei wie ein tausendfaches Echo im Gewölbe widerhallen. Sein Körper schien vom Ausmaß der in ihn strömenden Energie gesprengt zu werden. Millionenfache Bilder schossen durch seinen Kopf, sengend und flatternd wie ein Schwarm Feuervögel, viel zu viele, um sie zu begreifen. Alles in ihm stand in Flammen. Der Schmerz war unerträglich, doch er riss ihn in einen Strudel weißglühender Herrlichkeit. Das musste sie sein. Die allmächtige Energie des Universums. Die Kraft der Schöpfung. Das, woraus alles Leben geboren und worin es wieder eingefügt wurde, wenn das Fleisch verging.
    Etwas packte Greg und schleuderte ihn zurück, hinaus aus dem göttlichen Kaleidoskop. Es klirrte und schepperte, dann prallte er so heftig gegen eine Wand, dass die Luft aus seinen Lungen gedrückt wurde. Keuchend sank er zu Boden. Über ihm ragte der Maya-Krieger auf, zornig und prachtvoll wie ein fleischgewordener Gott. Das Loch in seiner Brust war verschwunden. Greg sah sie Obsidianspitze des Speeres auf sich niedergehen. Er rollte sich zur Seite, griff nach dem Bein des Kriegers und versuchte, es mit einem Ruck unter seinem Körper wegzuziehen. Es gelang ihm nicht. Funken sprühend schrammte die Speerspitze über die Wand, und noch ehe die glühenden Splitter den Boden berührten, hob der Maya erneut seine Waffe. Greg schloss mit seinem Leben ab, doch plötzlich geschah etwas. Licht drang aus seiner Hand, schoss am Bein des Mannes hoch und hüllte dessen Körper ein. Schnell wie eine zuschnappende Schlange. Ein Schrei unsäglichen Schmerzes erklang.
    Greg kroch auf allen vieren zurück, während das Licht den Krieger wie ein Wirbel funkelnder Energie umkreiste und ihn bei lebendigem Leib verbrannte. Mein Gott, was geschah hier? Was hatte er getan? Hinter dem Stöhnen des Mayas glaubte Greg, etwas Erlöstes herauszuhören. Irrte er sich, oder lag ein Lächeln auf den Lippen des Kriegers, als er nach ewig währenden Augenblicken zu Boden sank und sein Leben aushauchte?
    Er trat zu der Leiche, zitterte am ganzen Körper. Der Gedanke, knapp vor seinem Ziel um ein Haar getötet worden zu sein, war zu erschreckend, um ihn an sich heranzulassen. Lediglich ein leichter Geruch nach verbranntem Fleisch lag in der Luft, während das Licht sein vernichtendes Werk vollendete und den Körper des Mayas in ein Monument aus weißer Asche verwandelte. Dann erlosch es. Zurück blieb Stille, durchdrungen von tropfendem Wasser. Die Pyramide hatte ihren Wächter verloren. Ihr Friede, der vielleicht seit Jahrtausenden angedauert hatte, war zerstört.
    „Es tut mir leid.“ Sanft berührte er die bröckelnde Hülle. Mit leisem Knistern zerfiel sie unter seinen Fingern. Wenn dieses Wesen tatsächlich all die Zeit überdauert hatte, hier im Herzen der Pyramide, dann war es erschreckend, dass sein Leben so schnell beendet worden war. Vielleicht waren mit ihm auch all seine Erinnerungen und sein Wissen gestorben. Ein Frevel, ohne Frage. Doch was hatte er für eine Wahl gehabt?
    Als Greg zurückwich, begann die Luft über dem Aschehaufen zu glimmen. Sie funkelte und glänzte wie ein Atem aus Gold, verdichtete sich und stieg in anmutigen Spiralen auf. Energie lag in diesem Licht, ähnlich der Macht des Kristalls und geschwängert von zahllosen Erinnerungen. Es war die Seele des Mayas. All sein Dasein, sein Wissen und seine Kraft. Greg stieß einen Laut der Verblüffung aus. Konnte er sie sehen, weil der Kristall ihn verändert hatte?
    Während er das Schimmern betrachtete, wuchs eine wilde Gier heran. Er wollte diese Macht spüren. Er wollte den Mann, den er getötet hatte, in sich aufnehmen und sein Wissen bewahren. Die Seele schien diesen Hunger zu fühlen. Angstvoll versuchte sie zu fliehen, doch je größer Gregs Verlangen wurde, desto näher wurde sie an ihn herangezogen. Eingefangen von einer Kraft, die er noch nicht verstand.
    Die Seele des Mayas gab nicht auf. Sie kämpfte gegen den Sog seines Willens an, unermüdlich und mit der Wucht eines zornigen
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