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Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Titel: Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter
Autoren: Tara Hudson
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verrostete Limousine in der Auffahrt. Aus dem Fenster an der Vorderseite des Hauses flimmerte das Licht des Fernsehers und wechselte in der Dämmerung zwischen Gelb- und Blautönen hin und her.
    Ich erwog Joshuas Vorschlag einen weiteren Augenblick und nickte dann.
    Joshua stieg aus dem Truck und kam auf meine Seite, machte die Tür auf und tat so, als hebe er etwas vom Boden auf, für den Fall, dass meine Mutter uns beobachtete. Ich glitt aus dem Truck, ohne die Eingangstür des kleinen Hauses aus den Augen zu lassen.
    Joshua und ich redeten nicht, als wir den kurzen Weg durch den Garten zurücklegten. Wir überquerten die Veranda, wobei lediglich Joshuas Schritte auf den Holzbrettern widerhallten. Joshua hob eine Hand und klopfte an die Tür, wobei er mir beruhigend zunickte.
    Aus dem Hausinnern waren zögernde Schritte zu vernehmen, und mir wurde schwindelig. Ein paar Sekunden später, als die Tür aufschwang, hatte ich das Gefühl, möglicherweise in Ohnmacht zu fallen.
    Da stand sie im Eingang, im Gegenlicht der Dielenbeleuchtung. Elizabeth Louise Ashley. Liz für ihre Freunde. Mom für mich.
    Sie war gealtert, viel schlimmer, als ich erwartet hatte. Doch unter den neuen Falten und den zehn zusätzlichen Jahren voll Traurigkeit erstrahlte immer noch die Schönheit meiner Mutter. Das konnte jeder sehen.
    Ihre dunklen Haare glänzten in dem Pferdeschwanz, den nur ein paar graue Strähnen zierten. Ihre riesigen braunen Augen – immer noch von dichten Wimpern umgeben – musterten den jungen Mann auf ihrer Veranda abschätzend, bevor sie ihn mit einem großen freundlichen Lächeln bedachte.
    » Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie mit dieser zauberhaften Stimme, dieser perfekten Stimme, die mir jede Gutenachtgeschichte vorgelesen hatte, die ich kannte. Der Stimme, die sie nicht zu erheben versucht hatte während jedes einzelnen dummen Streits, den wir gehabt hatten – Streitereien, von denen ich mir sehnlichst wünschte, dass ich sie jetzt zurücknehmen könnte.
    » Mom«, stöhnte ich, nicht in der Lage, das Wort zurückzuhalten, bevor es mir aus dem Mund drang.
    Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Joshua die Hand, die mir näher war, zur Faust ballte. Ihm war anzusehen, dass er am liebsten den Arm ausgestreckt hätte, um mich zu trösten. Ich liebte ihn dafür, selbst wenn er dem Impuls im Moment nicht nachgeben konnte.
    Statt meine Hand zu ergreifen, räusperte Joshua sich und antwortete meiner Mutter. » Ja, Ma’am. Ich bin im Namen meiner Kirchenjugendgruppe hier. Wir … ähm, wir verteilen Bibeln, von Haus zu Haus.«
    Ich sah Joshua an und zog eine Augenbraue hoch. Zu meiner Überraschung zog er eine winzige grüne Bibel, das Neue Testament, aus der Manteltasche und hielt sie meiner Mutter hin. Das musste man ihm wirklich lassen – er kam bestens vorbereitet.
    Meine Mutter lächelte, und ihre Ungläubigkeit stand meiner in nichts nach. Doch sie streckte die Hand aus und nahm Joshua das Büchlein ab. Sie blickte darauf hinunter, und ihr Lächeln wurde weicher. Die Bibel in der einen Hand, fuhr sie mit einem Daumen über den Umschlag.
    » Weißt du«, sinnierte sie, wobei sie das Buch immer noch anstarrte, » meine Tochter hatte eine kleine genau wie die hier. Dieselbe Farbe und alles.«
    Das verschlug Joshua die Sprache. Selbst ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich schluckte, spürte einen merkwürdigen Kloß im Hals.
    Meine Mutter musste Joshuas Unbehagen gespürt haben, denn sie blickte schließlich wieder zu ihm auf. Kurzzeitig glaubte ich, Tränen an ihren Augenrändern glitzern zu sehen, aber sie drehte den Kopf, und die Schatten verdeckten ihr Gesicht.
    » Es tut mir leid. Das war … völlig zusammenhanglos.«
    » Überhaupt nicht, Ma’am«, beteuerte Joshua. » Ihre Tochter ist bestimmt wunderbar.«
    » War«, sagte meine Mutter leise. » Und ja, sie war es. Wunderbar.«
    Ein tiefer Schmerz ließ mich innerlich zusammenzucken. Der Kloß in meinem Hals wurde größer, und ich versuchte, nicht daran zu ersticken. Doch das Husten, das ich unterdrückte, trieb mir Tränen in die Augen.
    Ohne sich des kleinen Dramas bewusst zu sein, das ich vor ihr veranstaltete, warf meine Mutter einen Blick über die Schulter ins Hausinnere. Ein Lichtstrahl erhellte ihr Gesicht, und ich warf einen letzten kostbaren Blick darauf. Als sie sich wieder zu Joshua umdrehte, lag ihr Gesicht wieder im Schatten.
    » Wissen Sie, Mr . …«, sagte sie fragend.
    » Mayhew. Joshua«, bot er an und zuckte dann zusammen.
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