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Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Titel: Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter
Autoren: Tara Hudson
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schwer und dicht, bis ein Blitz die vertrauten Farben des Unterweltwaldes am Fluss enthüllte.
    Hier auf der Brücke indes war es jedoch ganz anders, als ich erwartet hatte. Ich hatte die Unterweltversion der High Bridge noch nie aus der Nähe gesehen, und der Anblick rief kurzzeitig Entsetzen in mir hervor. Auf der Brücke, so nah an dem bösen schwarzen Loch darunter, waren die Farben der Unterwelt beinahe grell und wild. Blutrot neben glitzerndem Schwarz; grelles Violett erblühte auf dunklen Grautönen. Der Ort sah atemberaubend aus, wunderschön. Aber auch schrecklich falsch. Wie ein riesiges verwundetes Tier.
    Das Gerüst dieser Unterweltbrücke sah ebenfalls mitgenommen aus. Die Träger standen in spitzen Winkeln unnatürlich zusammen, und die Oberfläche der Brücke wies tiefe, irreparable Risse auf. Was auch immer ich in der Welt der Lebenden getan hatte, musste auch diese Brücke verändert haben.
    Ich runzelte die Stirn, bereit, diesen Ort in glitzernde Trümmer zu verwandeln, als ein Zischen meinen Kopf hochfahren ließ. Dort, hoch über mir, umkreisten zwei schwarze Schatten die schräg stehenden Brückenträger. Sie bewegten sich geschickt um das Brückengerüst. Ihre Bewegungen verursachten ein leises Zischen in der Dunkelheit.
    Zuerst hielt ich sie für weitere gefangene Seelen, die Eli dazu gezwungen hatte, sich mir entgegenzustellen. Als ich jedoch genau hinsah, stellte ich fest, dass sie nicht schwarz waren, sondern von einem satten Blutrot. Außerdem bewegten sie sich zu gewandt, zu frei. Als verfügten sie, im Gegensatz zu Elis Lakaien, über einen eigenen Willen.
    Ich sah rasch zu Eli hinab, um seine Reaktion auf diese Wesen abzuschätzen, und blinzelte überrascht. Jetzt sah er sogar noch verängstigter aus als zuvor. Er hatte sich tatsächlich zusammengerollt, den Kopf eingezogen und mit den Armen bedeckt, als sie mit einem leisen Zischen Gestalt annahmen und zu beiden Seiten von ihm auf der rissigen Oberfläche der Brücke landeten.
    Wo gerade noch die beiden Schatten schwebten, standen jetzt zwei Menschen. Zumindest sahen sie wie Menschen aus.
    Beide Gestalten trugen dunkle Kleidung: der Mann einen gut geschnittenen schwarzen Anzug und die Frau ein elegantes schwarzes Kleid. Beide hatten weißblonde Haare: seine kurz geschoren und ihre lang und offen über ihren blassen Schultern. Sie verströmten eine gewisse Grabesstimmung. Zweifellos unheimlich, aber nicht unheimlicher als all das andere, was ich im Laufe des Abends zu Gesicht bekommen hatte.
    Erst ihre Augen – ihre gespenstischen, nichtmenschlichen Augen – entlockten mir ein Ächzen und ließen mich ungewollt auf der rissigen Straße einen Schritt rückwärts machen. Diese verstörenden Augen, schwarz und ohne Pupillen, betrachteten mich einen weiteren Moment, und dann lächelten beide Gestalten gleichzeitig.
    » Tja, ist das nicht ein interessantes kleines Ding?«, meinte der Mann grüblerisch.
    » Eli«, säuselte die Frau, ohne mich aus den Augen zu lassen, » wo hattest du denn diesen Schatz versteckt?«
    Eli antwortete ihr mit immer noch eingezogenem Kopf. » Ich habe versucht, sie für euch an mich zu binden, das habe ich, aber …«
    » Hör mit den Ausflüchten auf.« Die Frau fiel ihm ins Wort, und ihre Stimme klang auf einmal scharf. » Willst du mir etwa sagen, dass sie noch nicht unter deiner Kontrolle ist?«
    Ihr Blick fiel auf Eli, und obwohl er sie mit dem geduckten Kopf nicht sehen konnte, erschauerte er. » Ich habe sie nicht … Sie ist nicht …«, stotterte er, konnte seinen Widerspruch aber nicht zu Ende führen.
    » Ich glaube, genau das will Eli uns damit sagen, meine Liebe«, sagte der Mann, der mich immer noch beobachtete. » Folglich gehe ich einmal davon aus, dass Eli, wie seine Vorgänger, ausgedient hat.«
    Der Mann nickte der Frau zu. » Schaff ihn fort.«
    Daraufhin lächelte die Frau wieder, und auch ich erschauerte bei dem Anblick. Trotz ihrer kalten, schönen Gesichtszüge sah sie tot aus. Toter als Eli und ich es je könnten.
    Eli hob den Kopf von den Armen, und sein Blick huschte rasch zu mir. Als ich das reine Entsetzen in seinen Augen sah, zog sich mir das Herz zusammen. Trotz allem, was er an diesem Abend getan, trotz allem, was er mir in der Vergangenheit angetan hatte, empfand ich auf einmal Mitleid mit Eli.
    » Nein!«, rief ich, doch es war zu spät.
    Mit einer raschen Bewegung verwandelte sich die Frau wieder zurück in einen rötlich-schwarzen Schatten und hüllte Eli ein. Bevor ein
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