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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst
Autoren: Jana Frey
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meinen PC ein und öffnete Facebook. Dann drehte sie sich zu mir um.
    »Wie war noch mal dein Passwort?«, fragte sie.
    Ich sagte es ihr achselzuckend und Shar gab es ein.
    »Wie kann man nur so ein bescheuertes Passwort haben?«, murmelte sie dabei.
    »Wieso, Die Schuldigkeit des ersten Gebots ist ein Singspiel von Mozart«, erklärte ich immer noch geistesabwesend.
    »Eben«, antwortete Shar und schaute sich meine Profilseite an. »Kein normaler Mensch nimmt so was als Facebook passwort, Han! – Sieh mal, Chajm hat dich fünfmal gepoked! Und Sky Lovell hat dir eine Nachricht geschickt. – Soll ich sie öffnen?«
    Sie tat es bereits.
    »Danke noch mal für die Freundschafsanfrage , schreibt sie«, las Shar vor. »Wir sollten uns – Mut zur Tat – bald mal treffen! Was meinst du? Viele Grüße, Sky
    P.S. Moon hat sich per Handy gemeldet. Wir wissen also, dass er lebt und (halbwegs) wohlauf ist. Nur wo er steckt, weiß keiner …«
    Shar drehte sich zu mir um.
    »Verrückt, dass er im Grunde dein Bruder ist, was?«
    Ich nickte schwach.
    »Gibt es übrigens heute bei euch kein Abendessen?«, erkundigte sie sich gleich darauf, wie üblich immer hungrig.
    »Könnte passieren«, sagte ich. »Seit Joni wieder da ist, ist meine Mutter pausenlos mit ihm beschäftigt. Und mein Vater hat eine Menge Aufträge nachzuarbeiten. Sarah und Yitzchak sind heute im Holocaust Center. Mein Großvater will irgendwelche alten Dokumente einsehen. Und Esther fällt in der letzten Zeit ja sowieso aus. Sie rührt zwar keinen Schluck mehr an, aber besser geht es ihr nicht. Sie hat etwas auf dem Herzen, wenn du mich fragst, aber sie rückt nicht damit raus.«
    Ich griff nach der Hülle meines Cellos und packte mein Instrument ein. »Wenigstens ein Gutes hat die Sache.«
    »Was?«
    »Dass ich praktisch machen kann, was ich will in der letzten Zeit. David und ich haben Narrenfreiheit. – Vielleicht sollte ich die Gunst des Augenblicks nutzen und meinen Führerschein machen.«
    »Gute Idee.« Shar nickte zustimmend.
    Irgendwann holten wir uns ein paar Schabbat essensreste aus der Küche. Vorher hatte Shar vorgeschlagen, zu Imogens Geburtstagsparty zu fahren, aber ich wollte nicht. Stattdessen schauten wir ein paar gute, alte Folgen Bill Cosby Show und den Schluss von Betty Blue, 37,2 ° am Morgen und es war schon weit nach Mitternacht, als Shar, immer noch oder wieder hungrig, sagte: »Ich wollte schon immer mal wissen, wer eigentlich nachts um drei so einkaufen geht …«
    Ganz in unserer Nähe gab es einen neuen, koscheren Drugstore, der vierundzwanzig Stunden geöffnet war.
    »Wollen wir?«
    »Okay«, sagte ich und wir schlüpften in unsere Jacken und schlichen aus dem Haus.
    »Diese ganze Schleicherei ist sowieso für die Katz, wenn du dieses mörderisch laute Auto startest«, sagte ich eine Spur vorwurfsvoll, als wir einen Moment später die Einfahrt hinunterdröhnten.
    »Sorry, Babe«, murmelte Shar. »Ich könnte ja deine Eltern fragen, ob sie mir auch so einen smarten Toyota schenken, wie Sky Lovell einen bekommen hat.«
    Das saß – und ich schwieg.
    »Oh, bist du jetzt böse?«, erkundigte sich Shar sofort zerknirscht.
    Ich schüttelte den Kopf und schüttelte gleichzeitig, so gut es ging, diese Autogeschenkgeschichte ab. Für den Moment ging es ganz gut. Ich war froh darüber.
    Unser Viertel war, für Los-Angeles-Verhältnisse, still und dunkel, der Parkplatz des Drugstores war fast leer.
    »Wie in einem Geistersupermarkt hier drin«, sagte Shar leise, als wir den Laden betraten. Ich nickte und wir gingen die langen, leeren, hell erleuchteten Gänge entlang. Ein paar Neonröhren über unseren Köpfen summten.
    Vor einem Regal mit rezeptfreien Medikamenten stand eine übermüdet aussehende Frau, die jüdisch-orthodox ihre Haare bedeckt hatte, und nahm sich gähnend eine Packung Fieberzäpfchen für Kinder heraus. Ein vor sich hin murmelnder Jeschiwa student mit Schläfenlocken, Kaftan und Jarmulke kaufte Wein und ungesäuertes Brot. Ansonsten war der Laden bis auf Shar und mich leer. Shar packte großzügig Hamburger für die Mikrowelle, ein paar ebenfalls mikrowellentaugliche gefüllte Wraps und außerdem zwei Packungen Chickenwings in unseren Wagen.
    In dem Moment fiel mir wieder ein, woher ich den Namen Gershon Gold kannte. Ich hatte ihn einmal bei einem Cellovorspiel getroffen. Er war wahnsinnig gut gewesen und dazu ziemlich nett. Ich erinnerte mich daran, dass er gläubig war und, wie David, eine Kippah trug. – Woher er wohl
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