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Wenn Die Nacht Beginnt

Wenn Die Nacht Beginnt

Titel: Wenn Die Nacht Beginnt
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gegriffen? Mich gestoßen? Ich war rückwärts gegen die Wand gekracht. So viel wusste ich. Ich war gegen die Wand geknallt, das Licht war angegangen, und Jeffrey war da gewesen.
    Jeffrey. In meiner Wohnung. Eine Woche, nachdem ich ihm gesagt hatte, ich brauchte einige Zeit für mich allein.
    »Verzeih mir«, sagte Jeffrey jetzt. Ich sah, wie sich sein Brustkorb unter dem Hemd hob und senkte, während er darum kämpfte, sich zu beruhigen. »Ich habe dich erschreckt, nicht wahr? Ich wollte mit dir reden. Ich bin mit dem Schlüssel hereingekommen. Aber du hast mich durcheinander gebracht, Hannah. Ich hatte nicht vor …« Er brach ab und wischte sich mit einer Hand übers Gesicht. »Ist alles in Ordnung?«
    Ich befühlte meinen Kopf und zuckte zusammen.
    »Nein, dir geht es nicht gut. Hier, setz dich.« Er führte mich zur Couch und setzte sich neben mich. Geschickte, sanfte Finger untersuchten meine Kopfhaut. Das war eines der ersten Dinge, die ich an Jeffrey geliebt hatte. Als erstes das breite, ungezwungene Lächeln, aber gleich danach diese kompetenten, beruhigenden Hände. Nein, seine Hände konnten es nicht gewesen sein.
    Jeffrey hörte auf mit der Untersuchung und strich mir das Haar zurück. »Nicht einmal eine Beule. Aber da siehst du, was passieren kann. Es tut mir Leid, dass ich hereingeplatzt bin und dich erschreckt habe. Ich bin heute nicht ganz der alte. Aber du bist auch nicht du selbst. Das sieht dir gar nicht ähnlich, so herumzuschleichen.«
    »Ich bin nicht herumgeschlichen. Ich ging mit Ellen und Paul zu …«
    »Du kannst Ellen da rauslassen, Hannah. Wir wissen doch, dass Ellen nicht dabei war, nicht wahr? Du warst nur mit Paul zusammen. Aber Ellen ist auch Teil des Problems, stimmt's? Deiner Schwester gefällt es nicht, wenn wir all unsere Zeit zusammen verbringen, oder? Ich weiß nicht, warum du auf sie hörst. Da liegt das Problem. Nicht du brauchst Zeit allein für dich, sondern wir brauchen Zeit allein für uns. Nur wir zwei, ohne dass irgendjemand dazwischenkommt. Ich weiß, was wir machen, wir fahren auf die Hütte.«
    »Jeffrey …«
    »Sch.« Jeffrey lehnte sich zurück und zog mich mit sich, bis meine Wange auf der harten Fläche seines Brustkorbs lag. »Du weißt, dass ich Recht habe, Hannah. Probleme lassen sich nicht lösen, indem man sich vor ihnen versteckt. Wir lassen die Stadt hinter uns und ziehen uns am Samstag für das lange Wochenende in die Hütte zurück. Wir werden allein sein. Wir reden und klären alles.« Während er sprach, streichelten seine Hände – diese Hände – mein Haar, meinen Hals, mein Gesicht.
    Ich wusste, ich sollte mich bewegen, aufstehen, ihn bitten, zu gehen. Warum erschien mir das plötzlich so schwer, so sinnlos, so … so lächerlich? Was, wenn Jeffrey Recht hätte? Vielleicht, wenn wir allein wären, wenn keine Dritten dabei wären, die ihn ärgerlich machen, wenn ich ihn nicht aufregen würde … Und was hatte er schließlich schon getan? Er war eifersüchtig geworden. Eigentlich war es schmeichelhaft.
    Jeffreys Hände ergriffen meine Schultern und schoben mich behutsam zur Seite. »Schau, du hast ja Recht. Du brauchst Zeit für dich, das kann ich verstehen. Ich gehe jetzt. Ich hole dich am Samstag ab.«
    Als er mich am Samstag abholte und ich den frischen Haarschnitt sah, das makellos rasierte Gesicht, die Jacke, die ich besonders mochte, weil sie seine Schultern so breit aussehen ließ, da dachte ich an Harry's – dort hatten wir uns kennen gelernt, in Harry's Tap . Jeffrey hatte damals bei Harry's diese Jacke getragen. Bei Harry's war alles frisch und neu gewesen. Jeffrey hatte mich kennen gelernt, begehrt und umworben.
    »Wir fangen schön früh an«, sagte Jeffrey jetzt. Er lächelte mich vom Fahrersitz aus an – dieses Lächeln, das mir als erstes bei Harry's aufgefallen war. »Oder sollte ich sagen, wir fangen schön von vorn an?«
    Von vorn anfangen. Wieder dort anfangen, wo wir bei Harry's gewesen waren. Das Wochenende, das vor mir lag, begann plötzlich hell zu schimmern.
    Meine Tagträume lösten sich auf, als Jeffrey begann, mir die Geschichte der Hütte zu erzählen. Sie gehörte Jeffreys Vater, dem sie durch die Schlichtungsvereinbarung bei seiner unangenehmen Scheidung zugefallen war. Sie sei ein unvergleichlicher Schatz, sagte Jeffrey, und stand praktisch allein inmitten der achthundert Hektar eines Naturschutzgebietes. Den größten Teil des Jahres war sie unbewohnt und wartete darauf, dass Jeffreys Vater sich an sie
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