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Wenn Die Nacht Beginnt

Wenn Die Nacht Beginnt

Titel: Wenn Die Nacht Beginnt
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Pfandleiher gebracht. Der billige Kerl hat mich meinen eigenen Computer mitbringen lassen.«
    »Kein Kapitalverbrechen, so weit ich sehen kann.«
    »Also, da gehen Dinge vor sich …«, sagte er und lehnte sich näher an den Tisch, sodass sein Brustkorb die Kante berührte. »Einige dieser Bohrgesellschaften, die riskante Erdölbohrungen durchführen, machen absolut jeden Mist, um Geld für das nächste Loch zu kriegen. Sie nehmen mehr Investoren an, als sie verkraften. Und sie kommen ungestraft davon, weil sie sagen, sie bohren in einem ›juristischen Niemandsland‹, etwa so, als ob sie auf dem Mond bohren würden. Also ist keiner völlig ruiniert, wenn sich die Bohrstelle als trocken rausstellt, verstehst du?«
    »Klingt irgendwie plausibel«, meinte ich.
    »Aber die Sache ist die. Gute Leute investieren in diese Dinge, Leute wie meine reichen Tantchen, wenn ich welche hätte, und zu oft klaut man denen einfach ihr Eigentum.«
    »Das kapier ich nicht ganz.«
    Er nahm einen Bissen von seinem Gebäck, kaute eine Weile und sah aus wie jemand, der sich immer noch seinen nächsten Schritt überlegt. Um den Druck etwas abzuschwächen, stellte ich ihm eine harmlose Frage. »Warum hast du dich drei Tage lang nicht auf der Arbeit blicken lassen?«
    Verlyn lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Ich war sauer«, erwiderte er, drehte sich auf seinem Stuhl und schlug die Beine anders übereinander. »Da gibt es diese eine Zeitagentur, für die ich mehr als fünf Jahre gearbeitet habe. Die hatten einen eiligen Job, also bin ich eingesprungen. Hey, ich weiß, es ist nicht regelgerecht, mit Mitchell Corporation so umzuspringen, aber was die abziehen, ist viel schlimmer. Ich meine es ernst. Ich könnte Namen nennen. Ich könnte ihnen wirklich schaden.«
    »Die meisten Leute würden einfach die Augen zumachen und zum Essen gehen.«
    »Das stimmt, das würden die meisten tun. Sie haben doch meine Schwester kennen gelernt? Sie hat mich richtig erzogen. Morgen geh ich zum Bezirksstaatsanwalt.«
    »Das solltest du dir vielleicht noch mal überlegen.«
    »Ein kluger Mann kaut nicht auf etwas rum, was ihn auffrisst.«
    »Ich will mich nur nicht deinetwegen vor Minnie Chaundelle verantworten müssen, das ist alles.«
    »Das würd ich auch nicht wollen«, sagte er mit einem Lächeln.
    Wir gingen zu einem Hochhaus in der Nähe der Westschleife und fuhren mit einem gläsernen Aufzug hoch, von dem aus wir einen Blick über den Buffalo-Bayou hatten, wo ein dutzend graue Gestalten durch das grüne Wasser glitten – Schildkröten mit ihren langen Hälsen oder kleine Alligatoren. Auf Verlyns Lippe standen Schweißperlen.
    »Hier wird niemand auf dich schießen, Junge«, meinte ich.
    Er kreiste mit seiner verletzten Schulter, lächelte ein wenig und sagte: »Darauf können wir uns nicht hundertprozentig verlassen, oder?«
    Verlyn ging zu einem Büro in einem großen Raum voller Schreibtisch-Zellen. Er sagte mir, ich sollte warten, also lehnte ich mich an eine Wand und machte mir mit dem Taschenmesser die Fingernägel sauber. Kurz danach hörte ich, wie jemand die Stimme erhob: »Du lässt mich einfach so auf dem Trockenen sitzen? Vielen Dank.«
    Weiter vorn im Gang streckte jemand den Kopf aus einer Zelle und zog ihn wieder ein. Ich bewegte mich so weit, dass ich in das Büro schauen konnte, wo Verlyn war, und sah einen kleinen Mann mit einer Menge Kopfhaut, die von weißem Haar eingerahmt war, und einem roten Gesicht. Als der Mann mich sah, starrte er mich an, dann machte er zu Verlyn eine Geste mit der Hand, als ob er sagen wollte, geh schon, verschwinde hier.
    Im Auto öffnete Verlyn seinen Laptop und startete ihn, um einen Blick auf seine Dateien zu werfen.
    Was für Dateien? Der Rechner war leergeputzt.
    Er fluchte und schlug mit der Außenseite seiner Faust gegen die Autotür, aber dann beruhigte er sich und schien sich damit abzufinden.
    »Wie wär's, wenn wir das Heft holen, das du bei Minnie Chaundelle gelassen hast?«
    Er meinte, vielleicht später, er müsste jetzt ein wenig schlafen. Ich erwischte ihn wieder bei einem Lächeln, und er sagte: »Mein Mädchen mag es, wenn ein Mann verwundet ist.«
    Wieder zu Hause, rief ich Minnie an und sagte ihr, dass ihr Bruder möglicherweise vorbeikomme, vielleicht mit mir, aber ich hätte am Abend eine Arbeit zu erledigen und wüsste es deshalb noch nicht.
    »Ah, mein Lieber, Gott sei Dank«, sagte sie. »Sie können jederzeit hereinschauen, ich bezahle gerne, was ich Ihnen
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