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Wenn Die Nacht Beginnt

Wenn Die Nacht Beginnt

Titel: Wenn Die Nacht Beginnt
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in meine Richtung. Seine obere Hälfte steckte in einem hellbraunen Hemd und einer Mütze mit Rockets-Emblem. Seine untere Hälfte war mit einer braunen Hose und roten Sandalen bekleidet, und er bewegte sich, als wären alle seine Sehnen zu lange auf der Folterbank gestreckt worden.
    An die Waffe war er gekommen, als er nach einem Tapezierjob heimfuhr und einen Mann sah, der auf der Straße schreiend mit einer Knarre herumfuchtelte, während seine eigenen Kinder zuschauten. Stinger hält, geht zu dem Schlägertyp und sagt: ›Ich weiß, du willst dieses Stück loswerden, Mann.‹ Eine Frau, die alles beobachtete, erzählte, wie er seine Handfläche hochhielt, als ob er kein normales Fleisch hätte, das eine Kugel durchschlagen würde.
    Während wir zu der Straße fuhren, die Stinger mir zeigen wollte, war die Luft schwer und stickig von einem Sturm, der vom Golf herüberzog. Ein Wetterleuchten, flackernd wie sterbende Neonröhren, und tiefes Donnergrollen versprachen, dass der Himmel aufreißen und sich erleichtern würde, damit wir wieder atmen könnten.
    Ein Stück die Straße hinunter sahen wir ein Mädchen in grauen Shorts und schwarzem, rückenfreiem Top barfuß auf uns zurennen und mit den Händen fuchtelnd. »Oh-oh«, sagte ich und bremste ab.
    »Das ist sie«, meinte Stinger. »Das ist die von Verlyn.«
    Ihr Haar war dunkel und lockig, und ihre Glieder sahen weiß und fleischig aus, als sie herankam und sich neben das Fenster stellte. Eine blaue tätowierte Rose zeigte sich auf der Wölbung ihrer linken Brust, als sie sich hereinlehnte. »Da ist ein Kerl mit einem Messer! Er geht auf jemanden los!«
    Ich forderte Stinger auf, sich nach hinten zu setzen, damit sie auf den Vordersitz konnte. Sie hielt sich krampfhaft am Armaturenbrett fest und zeigte nach hinten, während ich mit rauchenden Reifen zu der Telefonzelle vor Popeye's Hähnchenbude fuhr. Sie sprang hinaus und wählte eine Nummer, während sie von einem Fuß auf den anderen trat. Stinger sagte: »Wenn sie fertig ist, lass uns mal hinschauen.« Sie kam zurück, immer noch mit ängstlichem Gesicht, und ich sagte, sie solle in der Hähnchenbude warten, wo Licht war.
    Stinger sagte: »Gehen wir hin und sehen mal nach.«
    Wir fanden die Apartments mühelos und sahen durch einen von Wein überwachsenen Drahtzaun zwei magere Männer ohne Hemd beim Pool stehen und rauchen. Der Weiße trug eine schwarze Hose, der andere hatte lange hellbraune Shorts an und etwas Weißes um seine Schulter und Achselhöhle gewickelt, das ein blutiges Muster wie eine große, rote Rose durchsickern ließ. »Er ist am Leben«, sagte Stinger, »aber er ist verletzt.«
    Während wir redeten, rauchte Verlyn seine Zigarette und behielt den Durchgang zwischen Garage und Haus im Auge. Er hätte ein goldener Panther sein können mit seinem kantigen Kiefer und den gelben Augen. Ich sagte ihm, ich sei ein Freund seiner Schwester, die sich um ihn Sorgen mache. Er nickte, sagte aber nichts.
    Er hatte eine ruhige, aber wachsame Entschlossenheit an sich, so als ob er nur mal schnell zu Atem kommen wollte, bevor er sich um die anstehenden Angelegenheiten kümmern würde. Ich bin selber manchmal so. Ab und zu kritisiert man mich deswegen, wie die Frau, die mich vor ein paar Monaten verließ. Sie nahm ein paar Dinge mit, die mein Eigentum waren, aber ich lief ihr nicht hinterher, obwohl sie sehr gut wusste, dass ich in einem starken Wind sogar ein Flüstern verfolgen konnte. Als ich schließlich damit fertig war, über alles nachzugrübeln, fragte sie, ob sie zurückkommen könne, aber mein Kopf war schon anderswo. Dieser Zement braucht eine Weile, bis er sich setzt, aber wenn es so weit ist, dann bleibt er so für lange, lange Zeit.
    Der Weiße besorgte das Reden. Sein Haar war so kurzgeschoren, dass man die Metallstifte sehen konnte, die in seiner Kopfhaut zu einer Pfeilspitze eingelassen waren. Ich bin zwar nicht gerade zart besaitet, aber das erregte doch meine Aufmerksamkeit.
    Er sagte: »Ich und Verlyn und Bitsy, wir schauten uns gerade das Spiel an, als dieser Kerl aus meinem Schlafzimmer kam. Er hat Glück, dass er nicht mausetot ist.« Er bedachte den Übeltäter noch mit einem Haufen Schimpfwörtern, während Verlyn dastand und nicht widersprach. Seine Augen waren fest auf etwas gerichtet, das wir anderen nicht sehen konnten. Ich dachte mir damals, dass das Einzige, was in dem Gesicht dieses jungen Mannes fehlte, die Jugend eines jungen Mannes war. Stinger und ich sind in den
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