Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn Die Nacht Beginnt

Wenn Die Nacht Beginnt

Titel: Wenn Die Nacht Beginnt
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Vierzigern, aber der Junge schien schon richtig verbraucht zu sein.
    Ich gab ihm meine Karte und meinte, wenn sie weitere Probleme hätten, sollten sie mich anrufen. Ich schlug Verlyn vor, auch seine Schwester anzurufen. Bei der Erwähnung seiner Schwester huschte ein anderer Ausdruck durch seine Augen, und er bat mich: »Behalten Sie das für sich, okay?«
    »Kein Problem«, sagte ich.
    Stinger und ich gingen, als wir die hellblauen Wagen der ›Helden von Houston‹ sahen, am anderen Ende des Hofes hinaus, denn wir wollten nicht jedermanns Zeit verschwenden.
    Als wir wieder auf den Parkplatz bei Kroger fuhren, öffneten sich endlich die Wolken, und ich spürte bereits die Veränderung in der Luft.
    »Danke, Mann«, sagte ich zu Stinger.
    »Kein Problem, Kleiner«, sagte er und stopfte sich ein Stück Kautabak in die Backe, bevor er die Tür öffnete, dann rannte er zu seinem Truck, während große Regentropfen auf seinen Rücken prasselten wie gedämpfte Gewehrsalven. Er duckte sich, als ob er glaubte, wenn er kleiner wäre, würde der Regen nicht so hart aufprallen.
    Während ich wegfuhr, dachte ich mir, Minnie Chaundelle wäre sicher dankbar, zu erfahren, dass ihr kleiner Bruder gesund war. Vielleicht würde sie mir eine Tüte Nüsse geben oder mir einen Kuchen backen.
    Es ging gegen sechs Uhr, und der Regen trommelte so heftig zu Boden, dass ich dachte, man müsste die Arche Noah wieder flottmachen. Durch meine Windschutzscheibe konnte ich etwa so gut hindurchsehen wie durch sieben Lagen Wachspapier.
    Aber als ich zur Gross Street kam und parkte, ließ der Regen wie von Zauberhand nach. Ich wollte gerade aussteigen, als ich einen großen Mann in einem hellen Anzug auf der anderen Seite aus einem Auto steigen und den Abwasserkanal zu Minnie überqueren sah. Auf der Veranda machte er seinen Regenschirm zu und zupfte an seinem Jackett, bevor er klopfte. Die Haustür öffnete sich und die Fliegentür gleich danach, und Minnie winkte ihn mit einem strahlenden, liebenswürdigen Lächeln hinein. Sie war von goldenem Licht eingerahmt, und ich stellte mir vor, ich roch kandierte Nüsse, die auf dem Herd kochten.
    Ich fuhr weiter.
    Um sieben Uhr am nächsten Morgen klingelte mein Telefon. Ich griff nach einem Glas Wasser auf meiner Kommode und trank etwas, bevor ich abnahm. Die Stimme sagte: »Hier ist Verlyn. Kann ich mit Ihnen sprechen?«
    Ich traf ihn bei Starbuck außerhalb von West Gray.
    Er trug olivgrüne Hosen, ein hellgrünes Polohemd, karamellfarbene Mokassins und keine Socken. In einem Ohr hatte er einen goldenen Ohrring, und an seiner Hand einen Klassenring von der Universität von Texas. Bei dem angenehmen Wetter saßen wir draußen. Er trank Saft und biss von einem trockenen Croissant ab. Ich wusste, dass es trocken war, weil ich auch eines aß.
    Ich fragte ihn, ob er seine Schwester angerufen habe. Er sagte, er habe sie aufgeweckt und sich entschuldigt dafür, dass er ohne Erlaubnis abwesend war. Er hatte es ihr gesagt, bevor sie ihre Sinne beisammen hatte und ihn ausschimpfen konnte. Ab und zu dehnte er seine Schultern ein wenig und zuckte zusammen. Jedes Auto, das heranfuhr, betrachtete er ausgiebig.
    Ich fragte: »Bist du nun bereit, mir zu sagen, wer der Typ ist, der was gegen dich hat?«
    »Jemandem gefällt nicht, was ich weiß, okay? Jemand will mich einschüchtern.«
    Er drückte seinen Mittelfinger auf den heruntergefallenen Puderzucker auf dem Papier und leckte ihn ab.
    »Und ist ihm das gelungen?«
    Verlyn sah mir geradewegs in die Augen. »Eine Biene flieht nicht.«
    »Noch mal?«
    »Wenn du nach ihr schlägst, sticht sie dich«, erklärte er mit der Mimik eines alten Mannes.
    »Auf die Weise kannst du dir 'ne Menge Ärger einhandeln, Bruder.«
    »Nicht, wenn du dir den Obergauner schnappst, stimmt's?« Er blies auf seinen Kaffee, trank einen Schluck und sagte dann: »Ich muss einen Computer abholen, den ich im Büro zurückgelassen habe. Ich könnte Begleitung gebrauchen.«
    Arbeite ich jetzt für dich?, wollte ich gerade fragen, und da ich nicht ganz doof bin, wusste ich, der Mann hatte Geld, das er ausgeben konnte. Aber alles, was ich sagte, war nur: »Wie wär's, wenn dein Freund, wie hieß er gleich noch, mit dir kommt?«
    »William? Das ist nicht der Richtige.«
    »Ich verlange fünfundzwanzig die Stunde«, erklärte ich.
    »Das geht klar«, meinte er, was mich überlegen ließ, wie viel er wohl in seinem Job verdiente. Er sagte: »Möglicherweise haben sie meinen Rechner inzwischen zum
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher