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Wenn Die Nacht Beginnt

Wenn Die Nacht Beginnt

Titel: Wenn Die Nacht Beginnt
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ich solle es niemandem zeigen, also hab ich es auch nicht getan. Bis Sie kamen.«
    »Das klingt, als ob Sie Ihrem Freund, der Ihren Bruder angestellt hat, nicht trauen.«
    Sie senkte den Blick, als müsste sie nach einem kranken jungen Hund sehen, der sich hinter dem Stuhl versteckte, und meinte dann: »Das sollte nicht sein in dieser Welt, aber manchmal ist es so.« Dann sah sie mir in die Augen und sagte: »Ach, na ja, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich falle manchmal über meine eigenen Füße. Andererseits, man weiß nie. Verlyn sagte: ›Wenn mir irgendwas passiert, dann gib das der Polizei.‹ Ich fragte: ›Wovon redest du?‹, aber er gab mir keine Antwort. Er stieg nur ins Auto und fuhr weg.« Sie wedelte mit dem Saum ihres Kleides und bewegte sich unter dem Stoff, bis es ihr wohler war. »Schließlich hab ich keinen Aufkleber mit ›Die Polizei, dein Freund und Helfer‹ irgendwo kleben. Ja, nicht alle Bullen sind schlecht, aber viele sind es.« Die Schaukel fing an, sich zu bewegen, so gemächlich wie ein Boot auf See, aber Minnies Stirn hatte tiefe Sorgenfalten.
    »Sie besuchen ihn nicht in seiner Wohnung?«
    »Erstens fahre ich nicht Auto. Zweitens könnten mich meine Freunde hinbringen, aber die Zeit drängt, und Sie sind mir sehr empfohlen worden.«
    Sie ließ ihre Augen von oben bis unten über mich gleiten. Ich sah sie genauso an, von unten nach oben.
    Ich hatte bereits beschlossen, dass Verlyn Venable für etwa hundert Dollar gefunden werden würde.
    Der Friedhof hinter Minnies Haus war dicht bewachsen und von Eichen überschattet sowie von zwei Pecannuss-Bäumen, die Minnie, wie sie sagte, mit einem Rechen bearbeitete, und dann zahlte sie einem kleinen, mexikanischen Jungen aus der Straße einen Vierteldollar pro Eimer fürs Einsammeln der Nüsse. Sie kandierte die Nüsse, die andere in Schönheitssalons und bei Waffenshows zu sieben Dollar fünfzig je zwei Papiertüten verkauften. Davon und von dem, was sie vom Staat für einen lädierten Rücken bekommt, würde sie mich bezahlen, sagte sie. Lädierter Rücken, weil sie vielleicht zu viel darauf liegt – Stinger hat mir das verraten –, aber da drehe ich einer gut aussehenden Frau keinen Strick draus.
    Ich wollte nicht so gerne um halb fünf, wenn der Verkehr völlig verrückt spielt, auf der Autobahn nach Sugarland fahren, um Verlyn Venable zu suchen. Stattdessen fuhr ich ein paar Blocks nach Osten zu Lebensmittel-Kroger an der Montrose Street, weil ich dachte, ich könnte dort vielleicht Stinger treffen. Er saß in einer Bude neben der Bäckerei und schmierte mit einem Kaffeelöffel Senf auf eine Brezel.
    Ich fragte, ob Minnies Bruder einer von der Sorte war, die leicht in Schwierigkeiten verwickelt werden.
    »Nicht dieser Junge«, sagte Stinger. »Das würde nicht passen, es sei denn, er ist irgendwo in Drogengeschichten hineingeraten. Er spielte in der Jugendliga, als mein eigener Junge mit seiner Mutter hier lebte. Ich hab ihn gesehen, wie er Minnie Chaundelle zum Arzt fuhr, wenn sie Atemprobleme hatte. Ihre Eltern starben jung, aber diese beiden blieben immer sauber, das muss ich sagen. Natürlich ist da Minnie mit ihren Kerlen. Aber Mensch, wenn sie's umsonst täte, dann wär's erst recht schlimm.«
    Auf der anderen Seite des Raumes, in einer Resopalbude, saß ein Mann, der die Farbe von Kaffee hatte, schweigend da, und seine blonde Freundin ihm gegenüber. Sie hatte einen Schnitt unter dem einen Auge und auf der Wange, die sich grüngelb verfärbt hatte.
    »Is es nich' 'ne Schande«, sagte ich und nickte in Richtung der beiden.
    Stinger schaute hinüber, während er in die Brezel biss. In seinem Spitzbart blieb etwas Senf hängen. »Manche Frauen geben sich Mühe, jemanden zu finden, der sie vermöbelt«, sagte er mit vollem Mund. Er schluckte hinunter und meinte dann: »Jeder hat die Wahl, ob er in trockenen Socken gehen will oder ob er sich die Stiefel nass macht und darüber jammert.«
    Stinger war kein gewöhnlicher Mann, sondern einer, den man ernst nehmen musste.
    »Verlyn hat eine Freundin, die beim Buffalo Speedway wohnt«, sagte er. »Kann dir die Adresse nich' sagen, aber ich kann's dir zeigen.«
    Stinger ging zu seinem Pickup und schloss die Tür auf, guckte nach rechts und links, dann griff er hinter den Sitz, wo Platz genug ist für seinen Kleisterkübel. Er zog die Schultern hoch, und ich wusste, dass er seine .38er unter dem Hemd in den Hosenbund gesteckt hatte. Er schaute sich wieder um, schloss die Wagentür und kam
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