Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wenn die Demokratie zusammenbricht

Titel: Wenn die Demokratie zusammenbricht
Autoren: Frank Karsten , Karel Beckman
Vom Netzwerk:
das, was »Demokratie« dem Wortsinne nach bedeutet, »Regierung durch das Volk«. Aber regiert wirklich das Volk in einer Demokratie?
    Das erste Problem ist, dass »das Volk« nicht existiert. Es gibt nur Millionen von Individuen mit ebenso vielen Meinungen und Interessen. Wie können sie gemeinsam regieren? Das ist unmöglich. Wie ein niederländischer Komiker einmal sagte: »Demokratie ist der Wille des Volkes. Jeden Morgen lese ich mit Überraschung in der Zeitung, was ich will.«
    Seien wir ehrlich, niemand wird etwas sagen wie: »Der Verbraucher will Microsoft« oder »Das Volk will Pepsi«. Einige wollen dies, andere nicht. Das Gleiche gilt für politische Vorlieben.
    Dazu kommt, dass es nicht wirklich »das Volk« ist, das in einer Demokratie entscheidet, sondern »die Mehrheit« des Volkes, oder besser: die Mehrheit der Wähler. Die Minderheit gehört anscheinend nicht zum »Volk«. Das wirkt etwas merkwürdig. Ist nicht jeder ein Teil des Volkes? Als Kunde von Wal-Mart möchte man nicht Gemüse aus einem anderen Supermarkt in den Rachen gestopft bekommen, aber so funktioniert das in einer Demokratie. Wenn man zufällig zur Verliererseite bei einer Wahl gehört, muss man nach der Pfeife der Sieger tanzen.
    Aber okay, nehmen wir einmal an, dass die Mehrheit das Gleiche ist wie das Volk. Trifft es dann wirklich zu, dass das Volk entscheidet? Mal sehen. Es gibt zwei Arten von Demokratie: direkte und indirekte (oder repräsentative). In einer direkten Demokratie stimmt jeder über jede Entscheidung ab, die getroffen wird, wie bei einer Volksabstimmung. In einer indirekten Demokratie wählen die Menschen andere Menschen, die dann Entscheidungen für sie treffen. Es ist klar, dass die Menschen im zweiten Fall sehr viel weniger zu sagen haben als im ersten. Fast alle modernen Demokratien sind jedoch indirekt, auch wenn sie gelegentliche Volksabstimmungen gewähren mögen.
    Zur Rechtfertigung des repräsentativen Systems wird angeführt: a) dass es unpraktisch wäre, Volksabstimmungen über all die vielen Entscheidungen durchzuführen, die die Regierung jeden Tag zu fällen hat, und b) dass die Menschen nicht genügend Fachkenntnisse besitzen, um alle Arten von komplexen Sachverhalten zu entscheiden.
    Argument a) mag in der Vergangenheit plausibel gewesen sein, da es schwierig war, jeden mit den nötigen Informationen zu versorgen und ihm ein Mitspracherecht zu geben, außer in sehr kleinen Gemeinschaften. Heute ist dieses Argument nicht mehr gültig. Durch das Internet und andere moderne Kommunikationstechnologien ist es einfach, große Gruppen an Entscheidungsfindungsprozessen teilhaben zu lassen und Volksabstimmungen durchzuführen. Jedoch geschieht dies fast nie. Warum nicht eine Volksabstimmung darüber durchführen, ob die USA Krieg in Afghanistan oder Libyen oder wo immer durchführen sollen? Schließlich herrscht doch das Volk, oder nicht? Warum kann es dann nicht diese Entscheidungen fällen, die so wichtig für das Leben seiner Angehörigen sind? Tatsächlich weiß natürlich jeder, dass viele Entscheidungen getroffen werden, die die Mehrheit nicht unterstützen würde, wenn sie zur Abstimmung gestellt würden. Der Gedanke, dass »das Volk regiert« ist einfach ein Mythos.
    Aber wie steht es mit Argument b)? Sind nicht die meisten Sachverhalte zu komplex, um sie zur Abstimmung zu stellen? Wohl kaum. Ob irgendwo eine Moschee gebaut werden soll, was das gesetzliche Mindestalter für Alkoholkonsum sein soll, wie hoch die Mindeststrafen für bestimmte Verbrechen sein sollen, ob mehr oder weniger Autobahnen gebaut werden sollen, wie hoch die Staatsverschuldung sein soll, ob in ein fremdes Land einmarschiert werden soll oder nicht, und so weiter – das sind alles ziemlich klare Aussagen. Wenn unsere Herrschenden Demokratie ernst nehmen, sollten sie das Volk nicht zumindest über eine gewisse Anzahl dieser Fragen abstimmen lassen?
    Oder bedeutet Argument b), dass die Leute nicht intelligent genug sind, um vernünftige Ansichten über alle Arten sozialer und ökonomischer Sachverhalte bilden zu können? Wenn das so ist, wie können sie dann klug genug sein, um die diversen Wahlprogramme zu verstehen und auf ihrer Grundlage abzustimmen? Jeder, der für Demokratie eintritt, muss zumindest annehmen, dass die Leute ein oder zwei Dinge wissen und in der Lage sind, einfache
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher