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Wenn die Demokratie zusammenbricht

Titel: Wenn die Demokratie zusammenbricht
Autoren: Frank Karsten , Karel Beckman
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selbst. Es gibt so gut wie niemanden, der die Demokratie als solche für die Probleme verantwortlich macht, die wir erfahren. Politische Führer – ob links, rechts oder in der Mitte – versprechen ausnahmslos, unsere Probleme mit mehr Demokratie zu lösen, nicht mit weniger. Sie versprechen, den Leuten zuzuhören und das öffentliche Interesse über die privaten Interessen zu stellen. Sie versprechen, Bürokratie abzubauen, transparenter zu werden, bessere Leistungen zu erbringen – das System wieder ins Laufen zu bringen. Aber sie stellen niemals die Erwünschtheit des demokratischen Systems selbst in Frage. Sie behaupten viel eher, dass unsere Probleme durch zu viel Freiheit verursacht würden als durch zu viel Demokratie. Der einzige Unterschied zwischen Progressiven und Konservativen ist, dass sich Erstere wahrscheinlich über zu viel wirtschaftliche Freiheit beschweren und Letztere über zu viel gesellschaftliche Freiheit. Dies zu einer Zeit, da es nie so viele Gesetze gab und die Steuern nie so hoch waren!
    Tatsächlich ist die Kritik an demokratischen Ideen in westlichen Gesellschaften mehr oder weniger tabu. Es ist einem erlaubt zu kritisieren, wie die Demokratie in die Praxis umgesetzt wird, oder die derzeitigen politischen Führer und Parteien zu geißeln – aber das demokratische Ideal als solches zu kritisieren, das »tut man nicht«.
    Es ist keine Übertreibung zu behaupten, dass Demokratie eine Religion geworden ist – eine moderne, säkulare Religion. Man könnte sie den am weitesten verbreiteten Glauben auf Erden nennen. Alle Staaten – außer elf Länder wie Myanmar, Swasiland, der Vatikan und ein paar arabische Nationen – beanspruchen, Demokratien zu sein, wenn auch nur dem Namen nach. Dieser Glaube an den Gott der Demokratie ist eng verbunden mit der Verehrung des nationalen demokratischen Staates, die im Verlauf des 19. Jahrhunderts aufkam. Gott und die Kirche wurden durch den Staat als den Heiligen Vater der Gesellschaft ersetzt. Demokratische Wahlen sind das Ritual, durch das wir zum Staat um Arbeit, Unterkunft, Gesundheit, Sicherheit, Bildung beten. Wir haben absolutes Vertrauen in diesen Demokratischen Staat. Wir glauben, dass Er sich um alles kümmern kann. Er ist der Belohner, der Richter, der Allwissende, der Allmächtige. Wir erwarten von Ihm sogar, dass er all unsere persönlichen und sozialen Probleme löst.
    Das Schöne am demokratischen Gott ist, dass Er Seine guten Werke vollkommen selbstlos bereitstellt. Als Gott hat der Staat kein Eigeninteresse. Er ist der reine Hüter des öffentlichen Interesses. Er kostet auch nichts. Er verteilt gratis Brote, Fische und andere Gefälligkeiten.
    Zumindest scheint es den Leuten so. Die meisten Menschen neigen dazu, nur die Wohltaten zu sehen, die der Staat liefert, nicht die Kosten. Ein Grund dafür ist, dass die Regierung Steuern auf viele umständliche und indirekte Weisen einnimmt – zum Beispiel, indem sie Unternehmen Umsatzsteuern einnehmen lässt oder indem sie Arbeitgeber Sozialabgaben einnehmen lässt oder indem sie sich Geld auf den Finanzmärkten leiht (das eines Tages von den Steuerzahlern zurückgezahlt werden muss) oder indem sie den Geldvorrat inflationiert – sodass die Menschen nicht wahrnehmen, wie viel von ihrem Einkommen tatsächlich durch die Regierung beschlagnahmt wird. Ein anderer Grund ist, dass die Folgen von Regierungshandeln sichtbar und fühlbar sind, aber all die Dinge unsichtbar bleiben, die hätten getan werden können und getan worden wären, wenn die Regierung das Geld der Leute gar nicht erst beschlagnahmt hätte. Die Kriegsflugzeuge, die gebaut werden, können von allen gesehen werden, all die Dinge, die nicht getan werden, weil öffentliche Gelder für Kriegsflugzeuge ausgegeben wurden, bleiben unsichtbar.
    Der demokratische Glaube ist inzwischen so tief verwurzelt, dass Demokratie für die meisten Leute gleichbedeutend ist mit allem, was (politisch) richtig und moralisch ist. Demokratie bedeutet Freiheit (jeder darf wählen), Gleichheit (jede Stimme zählt gleich), Fairness (alle sind gleich), Einheit (wir entscheiden alle zusammen), Friede (Demokratien fangen niemals ungerechte Kriege an). Nach dieser Denkweise ist Diktatur die einzige Alternative zur Demokratie. Und Diktatur steht natürlich für alles, was böse ist: Unfreiheit, Ungleichheit, Krieg, Ungerechtigkeit.
    In
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