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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
Autoren: Malte Pieper
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Recht auf Weißwurst und Musikantenstadl. (Letzteres geht natürlich nicht. Das wäre gegen die Menschenrechte.)
    Das Martin-Luther-Syndrom
    Reformen sind immer ein Teil des Systems Schule. In immer kürzer werdenden Abständen beschließen irgendwelche mehr oder weniger cleveren Politiker, Beamte oder Sachbearbeiter, dass das Bildungssystem unbedingt nochmal reformiert werden müsste. Und jetzt kommt’s: Die haben recht! Aber es wäre schön, wenn mal eine Reform verabschiedet werden könnte, die auch funktioniert und die nicht nach zwei Jahren wieder gekippt oder verändert werden muss. Eine Reform, bei der man auch mal die fragt, die davon betroffen sind. Die Schüler zum Beispiel oder die Lehrer. In jedem Zoo werden die Gehege mittlerweile den natürlichen Bedürfnissen der Tiere angepasst. Würden Bildungsreformatoren die Leitung eines Zoos übernehmen, die Affen säßen auf künstlichen Eisschollen, während ein Eisbär völlig hilflos in einer Baumkrone hängt und sich fragt, wie er überhaupt da hochgekommen ist.
    Aber in den zuständigen Ministerien schert man sich nicht darum. Wahrscheinlich darf man sich darüber aber gar nicht beschweren. Vielleicht sind die Verursacher einer solchen Reform einfach nur krank. Sie leiden unter dem Martin-Luther-Syndrom. Eine Krankheit, die sie zwingt, etwas reformieren zu müssen. Und weil die Kirche die Reformatoren mittlerweile konsequent wegen Sachbeschädigung verklagt, wenn sie fünfundneunzig Thesen an irgendwelche Kirchentüren hämmern, sind sie eben auf den Bildungssektor ausgewichen. Wobei es zwei frappierende Unterschiede zwischen Martin Luther und heutigen Bildungsreformatoren gibt:
    Luther hat eine konstruktive Bewegung begründet, während Bildungsreformatoren es oft nur schaffen, völlig unbegründet Konstrukte zu bewegen. (Es passiert nämlich nichts, außer dass man das System umwälzt und hofft, niemandem würden die Missstände mehr auffallen.)
Die Bildungsreformatoren würden sich niemals (!) mit fünfundneunzig Thesen zufriedengeben.
    Wer als Reformator innerhalb des Bildungssystems anerkannt werden möchte, muss schon etwas Komplizierteres auf den Tisch legen. Fünfundneunzig Thesen! Dafür erwacht ein Bildungsreformator noch nicht mal aus seinem Beamtenschlaf! (Es sei denn, man haut ihn ganz dolle. Aber dann bekommt man auch nicht das richtige Formular, sondern eine Strafanzeige.)
    Die erste wichtige und essenzielle Bildungsreform, die ich in meinem Leben mitbekommen habe, war die Umbenennung von Raider in Twix … Das hab ich 1991 natürlich noch nicht
bewusst
mitbekommen. Aber es hat mich mit Sicherheit unterbewusst beeinflusst, und Sigmund Freud könnte uns jetzt auch erklären, warum das was mit frühkindlicher Prägung und Sexualverhalten zu tun hat. (Unter uns: Freud hatte doch manchmal eine gehörige Meise, oder?)
    Die zweite, dann schon recht bewusst erlebte Reform war die Rechtschreibreform. Was für eine Erleichterung. Endlich konnte man schreiben, wie man wollte, weil eh keiner mehr wusste, was richtig oder falsch ist. Dumm nur, wenn man genau in dieser Zeit Lesen und Schreiben lernt. So wie ich. Und blöd, wenn man dann endlich das Wichtigste beherrscht und dann eine Reform kommt, die die Hälfte des Gelernten wieder über den Haufen wirft.
    Sitzen Sie mal als Zweitklässler mit Ihrer Mutter bei den Hausaufgaben und erklären Sie ihr, dass man «daß» jetzt «dass» schreibt, «Fuß», aber nicht «Fuss». Wohlbemerkt: Vor Ihnen sitzt Ihre Mutter. Die Frau, die bisher alles konnte und wusste. Und diese allmächtige Gottheit weiß (oder weiss?) plötzlich nicht mehr, wie man die einfachsten Wörter schreibt. Das ist ein Schock!
    Als ich daraufhin zu meiner Mama sagte: «Ey, Mama. Gerade habe ich den ganzen Kram gelernt, jetzt schmeißen die vom Bildungsministerium das alles wieder. Warum machen die das?», antwortete meine Mutter: «Die haben damals alle als Grundschüler in Mathe Mengenlehre lernen müssen, die nach kurzer Zeit wieder aus dem Lehrplan genommen wurde, und jetzt wollen die sich rächen.» (Falls Sie nicht wissen, was Mengenlehre ist: Keine Sorge, ich weiß es auch nicht. Aber es muss etwas ganz Furchtbares sein, denn meine Mutter erzählt davon genauso häufig wie mein Großonkel vom Krieg. Beides hat die Betroffenen anscheinend sehr geprägt.)
    Bei den Reformen zu G 8 und Ganztagsschule – in jedem Bundesland auch noch verschieden – habe ich dann den Überblick verloren. Wahrscheinlich erhält derjenige, der mit
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