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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
Autoren: Malte Pieper
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einer Reform möglichst viele vorige Reformen zerschlagen und dabei möglichst viel Geld möglichst ineffektiv in den Wind schießen kann, vom Bildungsministerium den «Martin-Luther-Award».
    Was den Effekt auch noch verschlimmert, ist die Schnelligkeit, mit der die Reformen aufeinanderfolgen. Wenn das noch zunimmt, wird es in Zukunft überhaupt keine Kontinuität im Unterricht geben.
    Stellen wir uns einmal vor, wir wären im Jahre 2025 . China hat die USA nicht nur als Weltmacht abgelöst, sondern den ganzen amerikanischen Kontinent gekauft. Griechenland ist, nachdem es Deutschland finanziell gerettet hat, wieder pleite, und Angela Merkel ist immer noch Bundeskanzlerin.
    Wir begleiten einen kleinen Jungen in die Schule. Er heißt Cedric-Kevin (seine Eltern waren bei der Namensgebung sehr konservativ!). Er liest im Deutschunterricht gerade den Erlkönig von Johann Wolfgang von Goethe. Er beginnt zu lesen:
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind.
In diesem Moment erreicht den Lehrer die Information über eine Reform, die besagt, dass Kinder besser lernen können, wenn sie Texte Zeile für Zeile rückwärts lesen. Ein im Klassenraum installiertes, digitales Glöckchen macht «Pling», und ein Bildschirm zeigt die neue Anweisung an: «Rückwärts lesen.» Cedric-Kevin befolgt dies:
Wind und Nacht durch spät so reitet wer.
(Der Satz geht ja sogar noch.) Doch bevor er weiterlesen kann, kommt schon die nächste Reform: «Pling – Englisch ist wichtig.»
    Who rides there so late through the night dark and drear? The father it is …
«Pling – Das Französische muss gepflegt werden.»
… avec son enfant; Il serre le petit garçon dans son bras …
«Pling – Spanisch wird auch von vielen Leuten auf der Welt gesprochen.»
… Lo lleva seguro en su tibio regazo
. «Pling – Doch wieder Deutsch, bitte.»
Wer reitet so spät …
«Pling – Chinesisch ist neue Weltsprache.»
… yè hé fēng …
In diesem Moment springt Cedric-Kevin auf und läuft schreiend aus dem Klassenzimmer.
    Und das völlig zu Recht. So mancher Schüler oder Lehrer hätte das bereits zu meiner Schulzeit gerne getan. Vielleicht sollte man sich gegen diese ganzen Reformen mal wehren. Revolution statt Reform! Wir stürmen das Bildungsministerium, kämpfen für mehr direkte Beteiligung der Schülerschaft und benennen Twix wieder in Raider um.
    Also: Schüler aller Länder, vereinigt euch! Wir starten eine Schulrevolution! Da bekommt das Wort Klassenkampf eine ganz neue Bedeutung …
    Goodbye Abendland
    Warum versuchen Schafe oder Kühe immer, an das Gras heranzukommen, das auf der anderen Seite des Zaunes wächst? Es wäre doch viel einfacher, die Halme innerhalb der Weide zu fressen. Da ist das Tier wie der Mensch: Was man nicht hat, will man kriegen. Und was andere haben, sowieso. Man stelle sich vor, eines der Schafe würde einen Test machen und feststellen, das Gras bei den Kühen ist tatsächlich besser als das eigene. Da würde man sich als Schaf doch freiwillig schwarze Flecken auf die Wolle malen lassen, um als Kuh durchzugehen. Weil man aber gar kein Kuheuter hat, um Milch zu geben, schickt der Bauer einen dann doch wieder zu den anderen Schafen. Genauso läuft das im Bereich Bildung. Plötzlich kommt einer mit einer PISA -Studie um die Ecke, und alle schreien, ab jetzt müsse sofort alles so wie in Finnland gemacht werden, damit wir so gut abschneiden wie die Schüler dort. Eifrig werden Beschlüsse gefasst, und erst nachher merkt einer: «Hoppla, wir haben ja gar nicht genug Lehrer dafür.» Eine späte Erkenntnis, die dem Schockerlebnis Guido Westerwelles sehr nahe kommen muss, als er plötzlich mit im Kabinett saß und feststellen musste: «Huch, ich kann ja gar nicht regieren.» Beides keine schönen Situationen für die Beteiligten.
    Aber mal ehrlich: Wollen die Politiker wirklich alles so machen wie die Finnen? Okay, die haben kleinere Lerngruppen, mehr Lehrer, bessere Ausstattung und individuellere Förderung, aber das kostet Geld! Und was Geld kostet, das lassen wir doch lieber weg. Wir machen alles so, wie es die anderen Länder machen, außer dem, was zu teuer wird.
    Jetzt wird der findige Politiker sagen: «Ja, ja, aber die Ganztagsschule und das Abi nach zwölf Schuljahren führen wir doch immerhin ein.» Glückwunsch! Nur leider gibt es genau das in Finnland gar nicht! Na so was. Da denken wir die ganze Zeit, wir würden wenigstens eine Sache so tun wie die schlauen Finnen, und
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