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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
Autoren: Malte Pieper
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des Abiturs Firmen angeschrieben und sich für Ausbildungsstellen in mehreren Handwerksbetrieben beworben. Allerdings gab es ebenso viele Absagen. Mal gab es keine freien Ausbildungsplätze, einmal wurde, wie Orhan später zufällig erfuhr, der Neffe eines Mitarbeiters bevorzugt. Ein anderer Betrieb wollte Orhan nicht, weil dort viele Russen arbeiteten und man deswegen keine Türken einstellen wollte, ein weiterer Chef hatte sich in den Kopf gesetzt, Realschulabgänger zu fördern, und konnte deshalb mit dem Abiturienten Orhan nichts anfangen.
    Nach mehrmonatigem Suchen schaffte er es dann doch, einen Ausbildungsplatz zu ergattern.
    Thomas wiederum hat sich nur einmal bewerben müssen und wurde sofort bei einer Bank genommen. Sein Glück war wohl die Finanzkrise: Plötzlich war «Banker» auf der Beliebtheitsskala der Schulabgänger gleichzusetzen mit «Folterknecht» und «Sensenmann». Vielleicht gab es auch andere Gründe, aber die Anzahl der Mitbewerber war gering. Thomas meint das mit der Bankenlehre aber eh nicht ernst. Er will Medizin studieren, hat aber keinen Studienplatz bekommen. Nach der Lehre wird er dann genug Wartesemester haben, um dies doch noch zu verwirklichen.
    Fabio hatte ab und zu kleine Gelegenheitsjobs, ansonsten blieb er zu Hause. Vor kurzem haben wir ihn tatsächlich dazu überreden können, ein Praktikum bei einem Zeitungsverlag zu machen. Noch hat das nicht begonnen, und ich bin gespannt, ob er es nicht direkt am ersten Tag durch ausgiebiges Verschlafen vergeigen wird. Wie gesagt: Man muss ja nicht immer den Musterweg gehen. Aber auf den Weg machen sollte man sich irgendwann schon.
    Bei mir war die ganze Sache wesentlich einfacher. Ich wusste schon ungefähr ein Jahr vor meinem Abitur, dass ich Medienkulturwissenschaft im Verbund mit Medienrecht studieren wollte und musste mich daher nur noch für diesen Studiengang bewerben. Warum der? Ich gebe es zu: aus bloßem Interesse. Jetzt ist es raus. Ich habe keinen bis ins Detail geplanten Karriereweg im Kopf. Das Leben – wenn ich mir als zwanzigjähriges, ahnungsloses Menschlein diese Weisheit überhaupt erlauben darf – ist nicht planbar.
    Irgendwann sitze ich vielleicht mit Orhan, Fabio und Thomas in einer Kneipe, und wir reden über die «guten alten Zeiten», während in Deutschland gerade diskutiert wird, ob man G 8 nicht auf G 7 umstellen sollte, nachdem Ruanda die BRD in der PISA -Studie überholt hat, ohne daran teilgenommen zu haben.
    Dann wird einer von uns sagen: «Es war nicht alles schlecht damals.» Wir anderen werden hinzufügen: «Ja, ja. Früher war alles besser.» Und wenn dann der Erste wieder anmerkt: «Wir hatten ja nichts», sind die drei wichtigsten Sätze, die alte Männer in der Kneipe draufhaben müssen, gesagt.
    Die Welt wird auch in Zukunft paradox sein. Allem voran die Schule. «Mein Enkel lernt jetzt die Namen mittelafrikanischer Seen, dabei kann er noch nicht mal die deutschen Mittelgebirge auswendig», wird Orhan sagen, Thomas wird in die Runde fragen, ob einer von uns denn diese Gebirge nennen könnte, und wir werden antworten: «Nein, aber da können wir ja nichts für. Da sind wir ja nicht dran schuld, wenn wir das nicht gelernt haben.»
    Und so hat die Schulzeit im Nachhinein vielleicht doch noch einen Sinn: Man kann alles, was man nicht kann, wunderbar auf die Schule schieben.

[zur Inhaltsübersicht]
    «Das versteht ihr nicht, das ist pädagogisch!» – Das Bildungssystem

    Wir müssen Erdöl finden!
    Ich bin ja nun aus der Schule heraus und habe damit trotz aller Widrigkeiten vielleicht sogar noch Glück gehabt. Es sieht bei allen Zukunftsvisionen nämlich nicht so aus, als würde sich im Schulsystem bald etwas Entscheidendes ändern. Wie wird Schule in hundert Jahren aussehen? Klar, wenn es mit der Finanzkrise ganz blöd ausgeht, dann brauchen wir uns um Schule keine Gedanken mehr zu machen. Wie soll man auch einem Kind beibringen, dass es Rechnen lernen soll, wenn es sieht, was dabei herauskommt, wenn viele Leute mit ganz viel rechnen.
    Wenn man aktuellen Panikmachern Glauben schenkt, werden wir eh bald komplett von den Chinesen übernommen. Dann können die sich für uns ein Bildungssystem ausdenken. Andere Menschen rechnen mit der baldigen Zerstörung der Erde durch einen Asteroideneinschlag. Wieder andere glauben, dass die FDP bei der nächsten Bundestagswahl die Fünfprozenthürde schafft und der gemeine Schüler an sich weiß: Der nächste Vokabeltest kommt bestimmt, egal, in welche Schule er
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