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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
Autoren: Malte Pieper
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geht. So hat eben jeder sein ganz persönliches Katastrophenszenario.
    Vieles spricht also dafür, dass es auch in Zukunft in der Schule immer noch die gleichen, alten, verdorrten Strukturen wie jetzt geben und sich eigentlich nichts ändern wird. Die Zuständigen verharren in einem Dornröschenschlaf und wenn es irgendwann einmal ein Happy End geben sollte, dann wäre die Märchenstimmung perfekt:
    Es war einmal ein Land in Mitteleuropa, das hatte nach zwei verheerenden und verlorenen Weltkriegen den Sprung zur wirtschaftlich erfolgreichen Musterdemokratie geschafft. Dieses Land wurde international als Stabilitätsfaktor geschätzt und erzielte regelmäßig Rekordexporte. In diesem Land wurden des Öfteren Dinge abgeschafft, und die Gesellschaft stellte sich mal mit, mal ohne äußere Hilfe darauf ein und lernte ihren Teil. Erst schaffte man diesen bösen, kleinen Diktator mit dem hässlichen Schnauzbart ab (glücklicherweise!), dann beseitigte man die deutsche Spaltung und die Mauer (auch glücklicherweise!), dann ließ man die Schnur am Telefon weg (noch besser!), dann machte man der Atomkraft der Garaus (plötzlich geht’s auch ohne!), und schließlich behauptete ein deutscher (jetzt Ex-)Bundesbankvorsitzender, Deutschland würde sich aufgrund zu hoher Immigrantenanteile und zweifelhafter «Erkenntnisse» aus der Genforschung selbst abschaffen (so ein Schwachsinn!). Wenn Deutschland sich abschafft, dann doch nicht, weil in Berlin-Neukölln irgendwelche Jugendlichen Autos anzünden oder Krawall machen, sondern weil Thomas Gottschalk nicht mehr «Wetten das …?» moderiert und der mitteldeutsche Zitronenfalter vom Aussterben bedroht ist.
    In Wahrheit liegt es natürlich daran, dass unsere Gesellschaft es verpasst, diesen und anderen jungen Leuten eine Perspektive zu bieten. (Das gilt aber auch für den Zitronenfalter.)
    Wie kann es sein, dass ein Land, das kaum Bodenschätze oder sonst irgendwelche Reichtumsquellen außer seinem wissenschaftlichen und technischen Knowhow hat, sein Bildungssystem so vernachlässigt und sein Geld für teils recht zweifelhafte Dinge aus dem Fenster wirft? Das ist, als wenn ein Bauer sein ganzes Geld für eine wunderbare, riesengroße, neue Scheune ausgibt und dann feststellt: Ihr Schatten verhindert jegliches Wachstum auf dem Feld. Mit einem Unterschied: Der Bauer merkt dies im Gegensatz zum deutschen Bildungsministerium tatsächlich.
    Die Politik spricht oft von der Bildung als wichtige Komponente für die Zukunft Deutschlands. Getan wird trotzdem nichts. Da ist die Regierung konsequent. Wozu jetzt noch groß in Bildung investieren, wenn wir in ein paar Jahrzehnten eh von den bis dahin grundsanierten Griechen aus der dann kommenden deutschen Staatspleite gerettet werden müssen!? Hoffentlich erinnern sich die Griechen dann daran, dass wir immer brav Gyros bei ihnen gegessen haben.
    Bis dahin müssen wir halt hoffen, irgendwo im Harz oder im Schwarzwald Erdöl zu finden, um unseren Staatshaushalt finanzieren zu können. Vielleicht ist das ja auch das Ziel der Jugendbanden, die Autos anzünden. Die suchen nach Öl! Und in Autos
ist
Öl. Vielleicht ist es doch noch nicht zu spät mit unserem Bildungssystem. Wer Öl in Autos durch Verbrennen derselben nachweisen kann, der ist doch reif für den Nobelpreis, oder?
    So muss man auch mal denken. Nicht immer nur von der Dummheit anderer Leute ausgehen und selber vor der Glotze sitzen und glauben, «Mitten im Leben» wäre eine echte Dokumentation. Sie denken, nur die anderen sind immer die Bescheuerten? Dann fassen Sie sich lieber einmal an die eigene Nase – oder werden Lehrer. Da geht das.
    Und wenn wir alle verblöden? Na und! Dann ist es doppelt gut, dass die Atomkraftwerke abgeschaltet werden. In dreißig Jahren wären wir doch kognitiv gar nicht mehr in der Lage gewesen, einen Meiler zu betreiben.
    Früher oder später hätte bestimmt ein Mitarbeiter in alter deutscher Tradition gedacht: «Och, ich mach das wie früher beim Telefon mit der Schnur. Der Reaktor braucht bestimmt auch keine Kühlwasserleitung mehr. Das geht doch alles über Computer.» Da hätten wir aber blöd aus der Wäsche geguckt. (Mit ähnlichen Sicherheitsstandards betreibt Frankreich seine Atomkraftwerke übrigens seit Jahren.)
    Dennoch: Bildung ist wichtig und sollte auf der Agenda der Politik viel weiter oben stehen. Aber natürlich noch unter der Einführung von kostenfreien Trinkbrunnen, aus denen Bier sprudelt, und dem durch das Grundgesetz garantierte
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