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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
Autoren: Malte Pieper
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Entschuldigung, da gibt es eine Kommission, die sitzt das ganze Jahr zusammen. Diese Menschen haben ein Jahr lang nichts anderes zu tun, als diese verdammten Klausuren zu entwerfen. Das Zeug geht durch mehrere Kontrollgremien und wird zigfach überprüft. Sind die alle besoffen?! Das muss doch jemandem auffallen. Es geht schließlich um das Abitur. Ich dachte immer, das wäre so wichtig! Anscheinend ist es
so
unglaublich wichtig, dass man keine Kosten und Mühen scheut, die bescheuertsten Beamten der Republik zusammenzutreiben, in einen Raum zu stecken und diese dann die Abiturklausuren entwerfen zu lassen. Wahrscheinlich ist es ein Sammelbecken für all jene Lehrer, die im Schulalltag versagt haben, dann hochgelobt wurden, damit man sie los ist, und die jetzt diese Aufgabenstellungen mit ihrem mangelhaften Fachwissen und augenscheinlich komplett fehlenden Einfühlungsvermögen in den Prüfling entwerfen.
    Was unsere Matheklausur betrifft, entschied das Bildungsministerium, nachdem sich dort die Beschwerden häuften: «Nein, in den Mathematikklausuren waren keine Fehler.» Als ich das las, musste ich kurz innehalten und mich daran erinnern, dass es kein Zeichen guter Kinderstube ist, Farbbeutel und Brandsätze in ein Schulministerium zu werfen.
    Kurze Zeit später revidierte die werte Frau Bildungsministerin ihre Einschätzung und sagte, vielleicht sei da doch die eine oder andere missverständliche Stelle in der Arbeit vorhanden gewesen. In der Folge durfte man die Klausur neu schreiben, musste aber nicht. Da man die Ergebnisse der ursprünglichen Klausur allerdings nicht kannte, blieb einem nichts anderes übrig, als ins Blaue hinein zu schätzen, ob sich ein zweiter Versuch lohnte.
    Auf anderen Schulen gaben die Mathelehrer ihren Schülern vorsichtige Hinweise: «Ich glaube, bei dir könnte es sinnvoll sein», oder: «Entspann dich, das ist alles nicht so schlimm.» Unsere Lehrer jedoch blieben stumm. So viel zur Gleichbehandlung aller Schüler durch das Zentralabitur.
    Wobei das Wort «Zentralabitur» ja an sich lächerlich ist. Seit wann ist ein bundeslandweites Abi denn bitte zentral?! Es sollte ein einheitliches Abitur für ganz Deutschland geben. Mit klaren Richtlinien für den Lehrplan, einheitlichen Unterrichtsinhalten und der dafür nötigen Ausrüstung, dann entstehen wirklich Gerechtigkeit und Vergleichsgrundlagen.
    Aber ich sollte mich nicht beschweren. Schließlich läuft in Deutschland ja alles ganz fair ab, und der Prüfling darf die Korrektur der Abiturklausuren kontrollieren. Und zwar genau zehn Jahre später. Dann kann man nämlich zum ersten Mal Einsicht in die Prüfungsunterlagen fordern.
    Böse Menschen sehen den einzigen Grund für diese lange Zeitspanne – immerhin doppelt so lang wie die Verjährungsfrist eines versuchten Sprengstoffattentats – darin, dass man die Ex-Prüflinge daran hindern will, diese Möglichkeit auch in Anspruch zu nehmen. Wer guckt denn zehn Jahre später, wenn er schon längst Studium oder Ausbildung hinter sich gelassen und einen Beruf ergriffen hat, nochmal nach, ob da nicht irgendetwas mit seiner Abiturklausur schiefgelaufen ist? Nebenbei bemerkt: Wo lagern diese Berge von Klausuren eigentlich?
    Wahrscheinlich in einem großen, geheimen Abiturmüllendlager.
    Der Start ins wahre Leben
    Wie schön, dass die Abiturklausuren bald hinter uns lagen und wir die Schule verlassen durften. Nur noch ein Mal mussten wir dieses Gebäude des Grauens aufsuchen, nämlich zum Festakt der Zeugnisverleihung in der Schulaula, einer piekfeinen Angelegenheit. Die Mädchen hatten sich in Schale geworfen, und der ein oder andere Schuhabsatz war höher als der dazugehörige Notendurchschnitt. Aber das war egal. Wir hatten bestanden. Alle! Da machte es auch nichts aus, wenn die eine oder der andere etwas overdressed war und mancher der Jungs aussah, als habe er sich Anzug und Krawatte vom Vater geliehen. Unsere Lehrer hatten sich ja schließlich auch chic gemacht. So chic, wie ein Cordanzug eben sein kann.
    Es wurden viele und lange Reden geschwungen, welche Hürde wir überwunden hätten, was uns nun bevorstünde, welche Verantwortung wir gegenüber der Gesellschaft jetzt hätten und bla und bla und bla … Dann schließlich kam es zum eigentlichen Akt der Zeugnisverleihung: Wir Schüler gingen jeweils zu zweit oder zu dritt nach vorne und bekamen unser Zeugnis überreicht. Dazu wurde ein Lied gespielt, das sich die Schüler vorher hatten aussuchen dürfen. Endlich konnten wir mal
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