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Wenn der Golem erwacht

Wenn der Golem erwacht

Titel: Wenn der Golem erwacht
Autoren: Jörg Kastner
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spürte seinen Atem warm in meinem Nacken.
    »Nein, da liegt der Hund.«
    »Was faselst du?«, schnappte Einar mit sich überschlagender Stimme; offenbar zehrte die Aktion an seinen Nerven. »Ich will die Akten!«
    »Die habe ich am Baum vergraben.«
    »Grab sie wieder aus!«
    »Ich habe vergessen, einen Spaten mitzunehmen.«
    »Dann grab mit den Händen!«, zischte Einar und versetzte mir einen heftigen Stoß zwischen die Schulterblätter, der mich in Richtung Baum stolpern ließ.
    Wie ein Tier kniete ich zwischen dem knorrigen Wurzelwerk der Linde und grub mit bloßen Händen. Damals, als ich den Pilotenkoffer mit den Akten hier versteckt hatte, hatte ich einen Spaten benutzt und das Erdreich hinterher festgestampft. Das erschwerte mir meine Arbeit jetzt. Mehrere Fingernägel brachen ab. Aber ich hatte ganz bewusst keinen Spaten mitgenommen. Auf diese Weise dauerte die Aktion erheblich länger, und Zeit war mein einziger Trumpf – falls ich überhaupt einen besaß.
    Einar, Knaup und die beiden anderen traten allmählich näher, als wollten sie sich den Augenblick, in dem das Gesuchte zum Vorschein kam, nicht entgehen lassen. Knaup hielt noch immer Max fest, starrte aber auf mich und meine unermüdlich schaufelnden Hände. Ich kam mir vor wie ein Maulwurf in Menschengestalt.
    Plötzlich stießen meine Hände gegen etwas Hartes, und im Licht der Taschenlampe glitzerte etwas zwischen der dunklen Erde. Die Verschlüsse des Pilotenkoffers.
    »Er hat ihn gefunden!«, rief Knaup.
    Und Einar befahl: »Grab weiter, mach voran!«
    Schließlich stand ich vor ihnen, den erdbeschmierten Koffer in Händen.
    »Den Koffer hinlegen und öffnen!«, sagte mein Bruder. »Ich will nicht, dass du uns ein paar Ziegelsteine andrehst. Und öffne ihn so, dass wir den Inhalt jederzeit sehen können. Vielleicht warst du ja so clever, da drin eine Waffe zu deponieren.«
    So clever war ich leider nicht gewesen, ich hatte auch keine Zeit dazu gehabt. Davon konnte sich Einar überzeugen, als ich die Schnapp verschlusse öffnete und den Deckel hochklappte. Er ging in die Hocke und blätterte zufrieden die Akten durch.
    Ich starrte über ihn hinweg, weil ich durch die offene Tür eine Bewegung in der Kulissenhalle wahrgenommen hatte. Dort kamen sie, endlich!
    Mein Fußtritt traf Einar mitten ins Gesicht und ließ ihn hintenüber kippen. In einem Reflex zog er den Abzug seiner Automatik durch, aber die Kugel ging in die Luft.
    Da hatte ich längst Knaup angesprungen und mit zu Boden gerissen. Auch Max stürzte, konnte sich aber von ihrem Bewacher lösen. Ich rang mit Knaup um seine Waffe, und die beiden Gorillas konnten nicht schießen, ohne Gefahr zu laufen, Knaup zu erwischen.
    »Lasst eure kleinen Maschinenpistölchen mal fallen!«, donnerte Hugo Bartschs Bassstimme über den Hof. Er kam durch die Tür nach draußen, eine Pump-Gun in den großen Händen. »Eine Schrotladung reicht auf die Entfernung, um euch beide in Schweizer Käse zu verwandeln.«
    Rica trat neben ihn, eine Automatik im Beidhandanschlag.
    Ein alter Mann und eine Frau, das schien die Gorillas nicht zu beeindrucken. Sie rissen ihre Waffen herum – und fielen, von Bartschs Schrotladung und Ricas schnell aufeinander folgenden Schüssen getroffen, zu Boden, bevor sie auch nur einen einzigen Schuss abgeben konnten.
    Knaup, der seine Waffe bei unserem Gerangel verloren hatte, wollte das Durcheinander nutzen, um sich von mir zu lösen. Ich warf mich abermals auf ihn und schlug seinen Kopf gegen eine Baumwurzel, wieder und wieder, bis er mit blutigem Schädel ohnmächtig zusammensackte.
    »Schluss der Vorstellung!«
    Das war Einar. Er kniete neben Max und hielt seine Automatik auf sie gerichtet. Mein Fußtritt hatte seine Nase noch stärker gekrümmt, und ein Brillenglas war zersplittert. Sein Gesicht war blutverschmiert.
    »Wenn ihr nicht die Salzsäulen spielt, ist das Mädchen dran!«, fuhr er fort und stand wankend auf, Max mit sich zerrend.
    Er schob sich mit ihr an Bartsch und Rica vorbei in die Lagerhalle und wollte die Tür hinter sich zuziehen. Wenn es ihm gelang, den Schlüssel herumzudrehen, hatte er einen entscheidenden Vorsprung gewonnen.
    Vom Boden hochschnellend, sprang ich zur Tür und riss sie mit aller Gewalt auf. Einar drückte ab, und der Schuss löste in der Halle ein dröhnendes Echo aus. Max schrie auf und fiel taumelnd zur Seite. Einar nutzte die Gelegenheit, um sich ins Dunkel der Halle zurückzuziehen.
    Ich ließ ihn gewähren und beugte mich über Max, die
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