Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn der Golem erwacht

Wenn der Golem erwacht

Titel: Wenn der Golem erwacht
Autoren: Jörg Kastner
Vom Netzwerk:
hervorbringt?«
    »Das herauszufinden, wäre sicher interessant. Aber hauptsächlich geht es mir um Rica. Sie erinnert mich an Karin, und eine verlorene Tochter reicht mir.«
    Rica sah ihn überrascht an und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
    »Drei Musketiere gegen den Rest der Welt also.« Ich gab mich geschlagen und nannte ihnen das Versteck.

 

    23
    V ielleicht ist es die Faszination des Widersprüchlichen, die uns anzieht. Der Bulle und der Böse oder so ähnlich. Vielleicht spüre ich auch unterschwellig, dass der Kerl, den ich auf dem Pariser Platz beim Stehlen beobachtet habe, ein großes Geheimnis hütet. Ein sehr reizvolles Geheimnis. Jedenfalls verstehen wir uns blendend, als wir in dem Biergarten an der Ebertstraße beisammensitzen.
    Und als Max, wie er sich nennt, mich lachend einlädt, seine ›Räuberhöhle‹ zu besuchen, stimme ich spontan zu. Der Abend ist ungewöhnlich interessant, und der Besuch bei Max verspricht seine Krönung zu werden.
    Entspannt lasse ich mich auf den Beifahrersitz des alten Golfs fallen und von meinem neuen Bekannten zur Spandauer Vorstadt kutschieren.
    Daran musste ich denken, als ich durch die lärmende Straßen der Spandauer Vorstadt ging. Es war schon nach Mitternacht, und die Straßenlaternen erhielten Unterstützung von den Leuchtreklamen der zahlreichen Bars und Restaurants.
    Hinter den Mauern und hellen Fenstern ertönten laute Stimmen. Sicher unterhielt man sich auch über das Attentat auf den Bundeskanzler vorgestern Abend. Aber niemand sah darin einen Grund, weniger fröhlich zu sein. Es war ein Thema, eine Mediensensation, so wichtig und so unwichtig, so aktuell und so schnell vergessen wie alles, was in den Medien mit Sondersendungen und Riesenschlagzeilen abgefeiert wurde. Mehr Unterhaltung als wirkliche Information.
    Allerdings hielten sich die Behörden mit konkreten Angaben auch sehr zurück. Seit dem dritten Oktober hatten sie nicht mehr bekannt gegeben als die Tatsache, dass in dem Helikopter die verkohlten Leichen von fünf Männern gefunden worden waren. Ich hatte unglaubliches Glück gehabt, dass ich lebend aus dem Wrack entkommen war.
    Spiegelte der bescheidene Nachrichtenfluss über das Kanzlerattentat den tatsächlichen Stand der Ermittlungen wider? Natürlich mutmaßte man, dass wichtige Erkenntnisse zurückgehalten wurden, um den Fahndungserfolg nicht zu gefährden. Das war eine übliche Methode, aber in diesem konkreten Fall mochte die Polizei tatsächlich vollkommen im Dunkeln tappen. Nämlich dann, wenn mein Bruder Einar die Ermittlungen von höchster Stelle aus behinderte.
    Ein düsterer Gebäudekomplex schob sich vor die aufdringlich leuchtenden Etablissements des neuen Reichtums. Die Diefenbachbühne wirkte wie ein Dinosaurier, der sich, obwohl längst zum Untergang verurteilt, standhaft weigerte, zeitgemäßeren Wesen zu weichen. Solchen, die schneller waren, wendiger, oberflächlicher und gewissenloser.
    Ich überprüfte noch einmal meine Ausrüstung, bevor ich mit gemischten Gefühlen auf das Theater zuging. Von außen konnte ich nicht erkennen, ob Max zu Hause war. Zur Straße hin lag das gesamte Gebäude im Dunkeln. Vielleicht waren die auf den Innenhof zeigenden Fenster von Max' Wohnung erleuchtet, aber das konnte ich nicht sehen.
    Der grüne Golf stand neben dem Eingang, den Max üblicherweise benutzte. Die Tür war verschlossen, aber ich trug professionelles Einbruchswerkzeug bei mir und knackte das Sicherheitsschloss innerhalb von vierzig Sekunden. Es war nicht weiter schwierig, schließlich hatte ich das Schloss eigenhändig eingebaut. Und bei der GSG 9 hatte ich gelernt, mir Zugang zu versperrten Räumen zu verschaffen.
    Als ich das Theater betrat, wartete ich auf das Gebell Ottos. Aber Otto war tot. Dunkelheit und Stille erwarteten mich, als ich durch einen unbeleuchteten Gang schritt. Ich benötigte kein Licht zur Orientierung. Jene seltsame Fähigkeit, die mich auch im Dunkeln vor Hindernissen warnte, reichte im Verein mit meiner Ortskenntnis aus.
    Vor Max' Wohnung blieb ich stehen und lauschte. Jetzt hörte ich doch etwas: Leise Musik. Mozart, aber nicht laut genug, um das Stück zu erkennen.
    Vorsichtig legte ich die linke Hand auf die Türklinke – da sah ich durch die Wand eine heftige Bewegung. Ein flimmernder Schatten stürmte auf die Tür zu und riss sie auf. Gleichzeitig riss ich die Makarov-Automatik hervor, die aus Bartsch' großem Waffenarsenal stammte.
    Das Nachtlicht, das durch die Wohnungsfenster fiel,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher