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Wenn der Golem erwacht

Wenn der Golem erwacht

Titel: Wenn der Golem erwacht
Autoren: Jörg Kastner
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ich meinem Bruder in die Hände gefallen bin.«
    »Gut? Machst du einen Witz?«
    »Nein. Der Elektroschock, mit dem man mich außer Gefecht gesetzt hat, hat etwas in meinem Gehirn ausgelöst, das mir die Erinnerung zurückgebracht hat. Ich habe gehört, wie Ambeus etwas in der Art sagte. Außerdem …«
    »Ja?«
    »Vielleicht hätte Einar den Anschlag auf Arnulf Zander auch unternommen, ohne den angeblichen Robert Fuchs als Attentäter vorweisen zu können. Aber dann wäre ich nicht im Helikopter gewesen und hätte nichts unternehmen können.«
    »Du redest, als seist du während der ganzen Zeit Herr der Lage gewesen. Dabei ist es nur ein riesengroßer Glücksfall, dass du mit halbwegs heiler Haut davongekommen bist!«
    Ricas Stimme zitterte, nur leicht, aber ich bemerkte es. Der Druck ihrer Hände verstärkte sich, und sie umklammerte meine Rechte, als wollte sie sie niemals wieder loslassen.
    In der großen Bauernstube mit den Wandgemälden historischer Schlachten erwarteten uns drei Teller mit Bratkartoffeln, gebratenem Leberkäse und Gurken. Bei dem Anblick wurde mir schlagartig bewusst, wie hungrig ich war. Wir ließen es uns schmecken und für eine Weile hörte man nur das Klappern des Bestecks.
    Bartsch war als erster fertig, leckte mit der Zunge über seine fettigen Lippen und fragte: »Wozu der ganze Zauber? Warum will dieser Dr. Kranz, dem der Schutz des Bundeskanzlers obliegt, ihn aus dem Weg räumen?«
    »Vermutlich deshalb«, sagte ich und machte mit Daumen und Zeigefinger die reibende Bewegung des Geldzählens. »Einen anderen Grund kann ich mir nicht vorstellen. Politische Ambitionen hat mein Bruder nie gehabt. Ihm ging es immer nur um seinen persönlichen Vorteil, um Karriere und Ansehen.« Leise fügte ich hinzu: »Vielleicht bin ich daran nicht ganz unschuldig. Hätten unsere Eltern mich nicht immer bevorzugt, hätte Einar sich wahrscheinlich anders entwickelt.«
    »Dann ist es die Schuld eurer Eltern, nicht deine«, meinte Rica.
    »Einar sieht das anders«, seufzte ich. »Er hasst mich wie die Pest.«
    »Warum hat er dich dann zur SGB geholt?«
    »Gute Frage. Über die Antwort kann ich nur spekulieren. Vielleicht eine letzte Aufwallung brüderlicher Zuneigung. Vielleicht hatte er auch damals schon vor, mich für seine schmutzigen Machenschaften zu benutzen.«
    »Was sind das für Machenschaften?«, fragte Bartsch. »Wer bezahlt Ihren Bruder? Und warum?«
    »Alles hängt mit der Operation Golem zusammen und mit den Unterlagen, die Robert Fuchs aus Konrad Bauers Safe entwendet hat. Ich hatte damals nur wenig Zeit, mir die Unterlagen anzusehen, und erst in den vergangenen Tagen habe ich mich an sie erinnert. Es ging um die Operation Golem. Die Akten geben die ganze Geschichte wieder, angefangen bei Himmlers Projekt Balmung über die Wiederaufnahme durch die Stasi bis hin zu den heutigen Forschungen.«
    Bartsch sah mich neugierig an. »Welche heutigen Forschungen?«
    Rica gab die Antwort: »Das Gesetz zur Neuordnung der neurotechnologischen Forschung! Darum geht es, oder?«
    »Ja«, sagte ich. »Wie ich von dir weiß, ist Arnulf Zander ein strikter Gegner dieses Gesetzes, über das in nächster Zeit entschieden wird. Wäre das Attentat gelungen, wäre der Vizekanzler das Zünglein an der Waage gewesen. Und Thomas Schling befürwortet die Forschung!«
    Bartsch starrte mich mit geweiteten Augen an. »Glauben Sie, der Vizekanzler ist in den Anschlag verwickelt?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Es genügt doch, dass er für das Gesetz eintritt. Darauf haben diejenigen gesetzt, die meinen Bruder beauftragt haben, den Kanzler auszuschalten.«
    »Wer?«, fragte Bartsch. »Von wem wird Ihr Bruder bezahlt?«
    »Schwer zu sagen«, antwortete ich. »INTEC und Global Standards sind offensichtlich in die Sache verwickelt. Aber Genaueres lässt sich vielleicht nur feststellen, wenn man die verschwundenen Akten genau prüft.«
    »Verschwunden?« Rica tippte mit dem Zeigefinger gegen meine rechte Schulter. »Du musst wissen, wo sie sind. Oder hast du dich daran nicht erinnert?«
    »Doch.«
    »Und?« Rica sah mich höchst gespannt an. »Jetzt sag schon, wo die Akten sind!«
    Zögernd erwiderte ich: »Ich weiß nicht, ob ich euch noch tiefer in die Sache hineinziehen soll.«
    »Noch tiefer?« Rica lachte gequält. »Das geht wohl kaum!«
    »Ich bin auch mit von der Partie!«, erklärte Bartsch.
    »Warum?«, fragte ich ihn. »Wollen Sie beweisen, dass der Kapitalismus noch immer die größten Schweinereien
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