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Wenn der Acker brennt

Wenn der Acker brennt

Titel: Wenn der Acker brennt
Autoren: Brigitte Maerker
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breitete sich auf dem blauen Kopfkissen aus und verlieh ihr ein zerbrechliches Aussehen. Er dachte an den Tag, als er ihr zum ersten Mal begegnet war, wie er den Blick nicht von ihrer elfenhaften Gestalt hatte abwenden können und sie ihn mit ihren grünen Augen verzaubert hatte. Gespannt hatte er darauf gewartet, ihre Stimme zu hören. Er fing nie etwas mit einer Frau an, deren Stimme ihm nicht gefiel. Für ihn war die Stimme das Tor zur Seele, der Körper nur die Verpackung. Eine schöne Stimme konnte ihn einen körperlichen Makel vergessen lassen, umgekehrt funktionierte es nie.
    Er hob die Decke auf und legte sie behutsam über Kathrin. Sie war am Nachmittag zuvor aus Los Angeles gekommen und hatte ihn mit der Nachricht überrascht, dass sie für die weibliche Hauptrolle in einem Hollywoodfilm engagiert worden war, ihre erste große Rolle überhaupt. Sie hatte es ihm unbedingt persönlich sagen wollen. Während er sie beglückwünschte, fühlte er sich mies. Sie durfte nie erfahren, dass er den Produzenten überredet hatte, ihr diese Chance zu geben. Es sollte sein Abschiedsgeschenk für sie sein. Kathrin wollte Karriere machen, er seine beenden. Sie sehnte sich nach Ruhm und Bewunderung, er hatte genug davon. Zwischen ihnen gab es keine Basis für eine gemeinsame Zukunft. Er wollte Kathrin nicht länger etwas vormachen. Sobald er von seinem Ausflug zurückkam, würde er mit ihr reden. Leise nahm er die schwarze Lederjacke und den Motorradhelm aus dem Schrank. Seine Harley stand in der Hotelgarage. Er hatte das Motorrad mitgenommen, so wie immer, wenn sie im Sommer auf Tournee gingen. Die Ausflüge mit der Harley waren seine Art, sich zwischen den Konzerten zu entspannen.

4
    Christine hatte das Verdeck ihres weißen Golf-Cabrio heruntergelassen und fuhr in gemächlichem Tempo die geschwungene Landstraße entlang. Die Dörfer mit ihren blitzsauberen Häusern, die alten liebevoll restaurierten Gehöfte inmitten der Wiesen und Weiden, der hoch aufgeschossene Weizen, die blühenden Sonnenblumenfelder, alles schien so friedlich. Ihre Gedanken wanderten zu dem fremden Mädchen, das so jung hatte sterben müssen. Was würde sie über Amata Lachner herausfinden?
    Als sie einen Bach entdeckte, der nicht weit von der Straße entfernt mitten durch eine Wiese plätscherte, bog sie in den nächsten Feldweg ein und stellte den Wagen ab. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen, rollte die Beine der hellen Jeans bis zu den Knien hoch und lief barfuß über die Wiese. Das Gras kitzelte an ihren Fußsohlen, aber der Boden war himmlisch weich. Freiheit! Sie stieg mit beiden Füßen in den Bach und erschauerte kurz. Er war nicht sehr tief, das Wasser stand nur eine Handbreit über ihren Fesseln, aber es war kristallklar und herrlich kühl. Genau die richtige Temperatur, um sie von ihren Gedanken abzulenken. Sie schaute zu, wie sich das Wasser an großen und kleinen Findlingen brach, und sprang erschrocken ans Ufer, als ein Frosch aus dem Wasser schoss und dicht an ihren Füßen vorbei auf einen Stein hopste.
    »Angeber«, sagte sie leise, als der kleine Kerl seinen Kropf aufblähte und laut quakte. Sie ließ ihn allein, als sich ein zweiter Frosch zu ihm gesellte, lief noch ein paar Minuten am Bach entlang und staunte über den gewaltigen Wasserfall, der in der Ferne einen Steilhang hinunterrauschte, bis die Gedanken an Amata sie erneut gefangen nahmen.
    Als sie wieder in ihren Wagen stieg, streifte ihr Blick den Rücksitz. Dort lagen die schwarze Umhängetasche mit ihrem Fotoapparat und ein Strauß weißer Rosen. Zuerst würde sie Amatas Grab besuchen, danach wollte sie sich im Dorf umsehen. Bevor sie losfuhr, schaltete sie das Radio an. Ein Verkehrsstau war zwar auf dieser Strecke nicht zu erwarten, aber in den letzten Tagen hatte es wegen der anhaltenden Trockenheit schon einige Waldbrände gegeben, und sie hatte keine Lust, in eine Absperrung zu geraten.
    »Wer noch auf Karten für das Konzert von A.L.M . heute Abend an der Sprungschanze in Garmisch hofft, den muss ich enttäuschen. Die Vorstellung ist ausverkauft. Zum Trost für alle, die draußen bleiben müssen, spielen wir jetzt eine halbe Stunde lang die größten Hits der Band«, verkündete eine quirlige Jungmädchenstimme im Radio.
    Ich wusste gar nicht, dass sie wieder auf Tournee sind, dachte Christine und drehte das Radio lauter, als die ersten Töne einer Rockballade erklangen. Sie mochte den bombastischen Alpenrock, der die Gruppe A.L.M . schon vor langer Zeit bekannt
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