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Wenn der Acker brennt

Wenn der Acker brennt

Titel: Wenn der Acker brennt
Autoren: Brigitte Maerker
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können. Ihre Worte hatten sie berührt, eine Verbindung zwischen ihnen hergestellt. Sie legte das Tagebuch beiseite und durchforstete das Internet nach Amata Lachner, konnte aber nichts Verwertbares finden.
    »Das war nur ein erster Versuch. So schnell gebe ich nicht auf, Amata«, sagte sie leise und strich über den Einband des Tagebuchs. Morgen war der 23. August, Amatas dreißigster Todestag, morgen würde sie ihr Grab besuchen.

2
    Rick Linden blickte auf die Fotografie, die er in der Hand hielt. Ein junges Mädchen in einem weißen Minikleid stand vor einem Banner mit der Aufschrift »Schreibwettbewerb 1982«. Das Mädchen nahm eine Urkunde entgegen.
    Rick schreckte hoch, als es an der Tür seines Hotelzimmers klopfte. Er warf das Bild in die Schreibtischschublade und schob sie zu, bevor er sich der Tür zuwandte. »Ja, bitte!«, rief er und verschränkte die Hände im Nacken.
    »1982 hat dich wieder eingeholt, richtig?«, stellte Johann Morgen fest, der hereinkam.
    Rick schwieg. Warum auf etwas antworten, was der andere längst wusste? Johann und er waren seit zwanzig Jahren befreundet. Sie hatten sich während ihres Astronomiestudiums in Freiburg kennengelernt. Vor fünfzehn Jahren hatten sie A.L.M . gegründet und waren innerhalb von wenigen Monaten zu einer der bekanntesten Alpenrockbands aufgestiegen. Sie hatten so viel Zeit miteinander verbracht, dass es für sie unmöglich war, etwas vor dem anderen geheim zu halten.
    »Du wirst wieder hinfahren, nehme ich an?« Johann sank in den grauen Ledersessel in der Sitzecke, ließ die Beine über der Seitenlehne baumeln und warf sein langes Haar zurück.
    »Zum letzten Mal.«
    »Es ist jedes Jahr das letzte Mal, so geht das schon, seitdem ich dich kenne.«
    »Nicht«, bat Rick und schaute zu Boden. Er wollte nicht, dass der Freund ihn ansah.
    Johanns hellblaue Augen schienen dunkler zu werden, so wie immer, wenn er die Stimmung seines Gegenübers einschätzen wollte.
    »Was soll ich nicht?«, gab sich Johann unwissend.
    »Lass diesen weisen Blick.«
    »Den kann ich leider nicht abstellen. Ich habe ihn von meinem Großvater geerbt.«
    »Jaja, der weise Mann aus den Bergen, der mit den Berggeistern sprach und Lawinen hörte, bevor sie sich lösten.«
    »Er hat sie nicht gehört, sondern gespürt. Wer die Natur mit allen Sinnen wahrnimmt, der wird von ihr auch nicht überrascht. Sein Wahlspruch, an den ich mich noch heute halte. Wir beide haben doch bisher jede Wanderung heil überstanden, oder etwa nicht?«
    »Ich schätze deine Qualitäten als Bergführer und als Gitarrist.« Johann stammte aus einem Dorf in der Nähe der Schweizer Grenze und hatte in seiner Kindheit viel Zeit mit seinem Großvater in den Alpen verbracht. Inzwischen kannte auch Rick all die Geschichten, die der alte Mann seinem Enkel stets aufs Neue erzählt hatte.
    »Meine Fähigkeiten als Manager überzeugen dich nicht?«, hakte Johann schmunzelnd nach, als Rick aufstand und die Balkontür öffnete.
    »Du weißt genau, dass wir mehr als dankbar sind, dass du diesen Job machst.« Sie waren mit zwei Managern nacheinander reingefallen, bevor Johann sich bereit erklärt hatte, die Aufgabe zu übernehmen. Er besaß ein angeborenes Organisationstalent, das er jetzt für sie alle gewinnbringend einsetzte.
    Rick fuhr mit der Hand durch sein dunkelblondes Haar, massierte seinen Nacken und sah auf die Gipfel des Wettersteingebirges. Vielleicht sollte er sich für eine Weile in die Berge zurückziehen. Irgendwohin, wo niemand sich dafür interessierte, was er tat oder dachte. Seit Wochen schon fühlte er sich müde und ausgelaugt. Er spürte, dass er allmählich die Lust an ihren Tourneen verlor. Früher hatte er es genossen, zwischen Hotelzimmern und ausverkauften Stadien zu pendeln, sich die Mädchen aussuchen zu können, mit denen er die Nächte verbrachte. Es war ein ewiger Rausch gewesen, der ihn von der Wirklichkeit fernhielt, aber dieser Rausch war nun vorbei. Er konnte sich nicht länger vor sich selbst verstecken. »Ja?«, rief er, als es erneut klopfte.
    »Geht ihr mit zum Essen?«, fragte der junge Mann, der ins Zimmer schaute.
    »Johann kommt sicher gern mit.« Rick hielt dem prüfenden Blick stand, den ihm Adam, der Schlagzeuger von A.L.M ., über seine Nickelbrille hinweg zuwarf.
    »Ich kann schon selbst entscheiden, wohin ich gehe«, meldete sich Johann zu Wort und schnippte einen Fussel von seiner Jeans.
    »Dicke Luft?« Stefan, der Bassgitarrist, ein schmächtiger junger Mann, lugte
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