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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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im Wasser wie Köder, wie eine Provokation, und sie konnte sie nicht sehen und kaum spüren. Wenn Haie kamen – sofern sie kamen –, würde sie sich nicht verteidigen können. Sie war in einem kindlichen Alptraum gefangen, einem uralten Traum aus der Zeit, als es noch kein Land gegeben hatte, als alle Wesen, die es gab, im Wasser geschwommen waren, mitten unter den Tieren mit den scharfen Zähnen, die sie auffraßen. Sie versuchte, ihre verletzte Hand über Wasser zu halten, versuchte, nicht an das zu denken, was sich unter ihr, hinter ihr befand, was vielleicht gerade jetzt langsam, träge aus den Tiefen emporschwebte wie ein Ballon, der langsam über den Abendhimmel trieb. Doch sie musste denken. Sie musste sich angst machen, um am Leben zu bleiben.
    Seit sie auf die Kühlbox gestoßen war, hatte sie sich auf verschiedene Weisen daran festgehalten: Sie hatte sich wie ein Reiter darauf gesetzt und sie zwischen die Beine geklemmt, hatte sie tief unter Wasser gedrückt, sich mit den Füßen darauf gestellt und auf dieser schwankenden Unterlage gehockt, hatte sich, den Rücken gekrümmt und die Beine weit gespreizt, um das Gleichgewicht zu bewahren, auf den Deckel gelegt, so dass dieser zwischen ihren Brüsten und dem Unterleib eingeklemmt war. Jetzt versuchte sie, sich mit dem ganzen Gewicht darauf zu knien, als würde sie beten – und sie betete, o ja, sie betete –, und sie mühte sich, die verletzte Hand über Wasser zu halten und wie ein Artist auf dem Hochseil zu balancieren, doch die Wellen ließen es nicht zu. Immer wieder rutschte sie herunter, so dass die Box sich von ihr entfernte und sie einige Schwimmzüge machen musste, um sich mit weißglühender Angst daran festzuhalten, und dabei konnte sie an nichts anderes denken als an die lautlos dahingleitende Gestalt, die aus der Tiefe heranschoss, um sie mit einem Korb aus Zähnen zu packen.
    Sie hatte nur einmal einen Hai gesehen. Es war auf der Pier von Santa Monica gewesen, kurz nachdem Till aus dem Krieg zurückgekehrt war. Sie waren untergehakt stundenlang am Strand entlang und dann bis zum äußersten Ende der Pier gegangen; die nackten, hellen Bohlen hatten unter ihren Schritten leicht gefedert, und die Meeresbrise war herrlich kühl gewesen. Sie hatte sich so lebendig gefühlt, so in Anspruch genommen von Till und seiner Verwandlung aus etwas Erinnertem in etwas tatsächlich Vorhandenes aus Fleisch und Blut, in die Hand, die er um ihre Taille gelegt hatte, in die Stimme, die ihr etwas ins Ohr flüsterte, dass winzige Kleinigkeiten ihr erregend neu erschienen, als wären sie noch nie zuvor von jemandem bemerkt worden. Ein Pappbecher voller Zuckerwatte, so leuchtend rosarot, dass sie nicht von dieser Welt zu sein schien, kam ihr so seltsam vor, als hätten Marsmenschen ihn überbracht. Ebenso der tätowierte Mann, der sich in der Hoffnung auf ein paar Münzen nur mit einer Badehose bekleidet präsentierte, und die achtzigjährige Schönheitskönigin in ihrem zweiteiligen Badeanzug und sogar der Burger mit Zwiebelringen und reichlich Ketchup, den sie im Stehen unter der sonnenbeschienenen Markise des Standes am Fuß der Pier verzehrten, schmeckte besser als jeder, den sie je gegessen hatte. Ihre Füße schienen den Boden gar nicht zu berühren. Sie beide waren da, sie und Till, und sie schlenderten dahin wie irgendein ganz normales Paar. Sie konnten nach Hause und ins Bett gehen, wann immer sie die Lust dazu überkam, sie konnten sich in irgendeiner dunklen Kneipe Highballs bestellen, sich in eine Ecke setzen und der Jukebox zuhören, sie konnten langsam und gemütlich den Ocean Boulevard entlangfahren, mit heruntergekurbelten Fenstern, so dass der Wind mit ihren Haaren spielen konnte. Ihr Traum war wahr geworden. Doch dann, mitten in diesem Traum, war da der Hai.
    Am Ende der Pier stand eine Menschenmenge, und aus Neugier schlenderten sie hin. Erwachsene reckten die Hälse, Kinder drängten sich durch die Menge, um besser sehen zu können, und da war er, eine weitere Neuigkeit, der erste echte Hai, den sie je zu Gesicht bekommen hatte. Er war, noch tropfend, mit einem dicken Strick am Schwanz aufgehängt, die Schnauze hing nur Zentimeter über den ausgebleichten Bohlen der Pier. Der Angler, der ihn gefangen hatte – ein Neger, und auch dies war etwas Neues: ein Neger, der auf der Pier von Santa Monica angelte –, stand links daneben, während sein Freund, ebenfalls ein Neger, mit einer Boxkamera ein Foto machte. »Nicht bewegen jetzt«, sagte er.

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