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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte
Autoren: Otto Basil
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Namen erworben. Oft war sie auf dem Bildschirm zu sehen gewesen, als vorbildliche Gattin und Mutter, als Reiterin; ihr Name tauchte ständig in der Tagespresse auf.
    Durch das Umschlagbild wachgerufen, kreisten Höllriegls Wünsche, die, wie er gepeinigt ahnte, unerfüllbar bleiben mußten, um den Körper dieses Weibes, von dem der Reiz reifer Begierden ausging. Es war sonderbar: das Gewöhnliche, wie es sich in Ullas Gesicht spiegelte, zog ihn nun mächtig in die Bereiche unterschwelliger Begehrlichkeit hinab; das Sieghafte und Heldische an ihr konnte er nicht mehr so bewundern. Vielleicht war das alles nur Maske. Zu den hohen Jochbeinen mit den schräggestellten Augen und den verräterischen braunen Schatten darunter paßte der schweißige Geruch von Stuten und schmutziger Unterwäsche. Und plötzlich – Höllriegl schob hastig das Heft wieder in den Stapel zurück – überfiel ihn das Gefühl unmittelbarer physischer Bedrohung. Diese Frau erweckte nicht nur die Lust zu schlagen, blutigzuschlagen, sondern auch geschlagen zu werden.
    Das Telefon summte. Höllriegl stellte das Radio ab und nahm den Hörer von der Gabel. „Heil! Hier Damaschke“, meldete sich eine barsche Stimme. (SA-Mann Damaschke, alter Kämpfer von der Krummen Lanke, Blutordensträger und Schwerkriegsversehrter, jetzt Telefonist im Parteihaus.) „Ein Herr von … Schwertfejer aus Wien möchtse jerne sprechen. Na, Se sind jewiß schon selbst druffjekomm, wer det is. Wa? Der bekannte Romanfritze. Hat hier mal vorjelesen. Ick vabinde …“
    Höllriegl war augenblicklich im Bild. Er hatte vor Jahren dem erfolgreichen Schriftsteller Arbogast von Schwerdtfeger das Arbeitszimmer in seiner Döblinger Wohnung ausgependelt und hernach eine gründliche Umstellung der Möbel, vor allem des Schreibpults – Schwerdtfeger pflegte stehend zu arbeiten – veranlaßt. Wie ihm der Dichter nachträglich mitgeteilt hatte, war dadurch eine „ärgerliche Ladehemmung“ beseitigt worden; er konnte wieder mit Schwung arbeiten.
    „Erinnern Sie sich noch an Ihre Intervention bei mir?“ hörte er Schwerdtfeger sagen. Es klang geschmeidig, sonor, entgegenkommend, gewissermaßen „altösterreichisch“. „Verehrtester, könnten Sie einen Sprung ins Parlament kommen? Ich wohne hier. Ich hätt gern selber bei Ihnen vorgesprochen, erwarte aber ein wichtiges Ferngespräch, das jeden Moment da sein kann – darf mich nicht wegrühren. Ich hab einen interessanten Auftrag für Sie. Etwas Hochoffizielles. Geheime Reichssache …“
    Höllriegl sagte zu, kritzelte rasch ein paar Worte für Burjak auf einen Zettel und schlüpfte in den Mantel. Während er seinen Wagen aus der Garage holte, ging es ihm durch den Kopf, auf welchen Umwegen Schwerdtfeger erfahren haben könnte, daß er, Höllriegl, in Heydrich tätig war. Geheime Reichssache! Wie kam ausgerechnet der „Romanfritze“ dazu, sie ihm zu übermitteln? Und noch etwas. Schwerdtfeger hatte, was sonderbar war, das Wort „Parlament“ gebraucht, also eines jener Spottwörter, die man – im vertraulichen Kreis – manchmal auf die Parteihäuser münzte. Durfte der Mann solche Vertraulichkeiten zwischen ihnen voraussetzen? („Ich hab nur rein geschäftlich mit ihm zu tun gehabt, und auch das liegt Jahre zurück“, sagte Höllriegl halblaut, seinen Gedanken nachhängend.) War es aus Achtlosigkeit geschehen? Kaum. Eher aus dem Gefühl sorgloser Souveränität. Oder war es ein gezieltes Wort gewesen? Jedenfalls: Schwerdtfeger wohnte im Parteihaus, wo sonst nur höhere Funktionäre abstiegen. Geheime Reichssache?
    In der Hindenburg-Chaussee begann es zu tröpfeln, und kurz darauf nieselte es ganz anständig. Trotzdem, so kam ihm vor, waren mehr Menschen in den Straßen als sonst. Er hielt vor dem Parteihaus, einer aufgelassenen Panzerkaserne mit braunem Ölanstrich, die durch Zu- und Umbauten im reichseinheitlichen Stil monumentalisiert worden war. Keine Parklücke zu finden – quer über die Gehsteige, wie es in frühen Wehrmachtstagen Mode war, standen dicht nebeneinander die Wagen der Amtsträger und Sekretärinnen. Höllriegl stellte den VW in einer Seitengasse ab und eilte fröstelnd zum „Parlament“ zurück.
    In der Loge des Hausmeiers mit ihren schießschartenähnlichen Auslugen nach allen Seiten saß Damaschke, die Telefonmuschel umgehängt, und stöpselte eifrig in seinem Schaltkasten herum. („Heil! … Jawöllja … Ick vabinde …“) Während er dies mit der Rechten, die aus einer sinnreichen Greifzange
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