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Wenn das der Führer wüßte

Wenn das der Führer wüßte

Titel: Wenn das der Führer wüßte
Autoren: Otto Basil
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vollschlanke Weib auf dem Bild – es war eine farbige Reproduktion von geradezu aufreizender Schärfe und Naturtreue – hatte die vorgeschriebene aggressive Körperhaltung, das Gesicht überraschte durch seinen fanatischen Ausdruck. Weizenblond waren die langen und dicken Zöpfe, die dunkelgrauen Augen blitzten sieghaft, der große, brutale Mund mit den schmalen Lippen war zu einem sichtlich verachtungsvollen Lachen geöffnet, die Zähne hatten etwas auffallend Tierisches. Das Erregende an dieser Frau war, daß in ihren Zügen Nordisches sich mit Ostischem in fast verworfener Weise mischte, daß das Heldische überlagert war von Schlangenhaftem. Sie war mit einer kurzen Badetunika bekleidet, die, weil klatschnaß, alle körperlichen Details nicht nur plastisch hervortreten ließ, sondern sie auch halb sichtbar machte. Die Spitzen der vollen, hohen Brüste zeichneten sich rosabräunlich unter dem dünnen weißen Stoff ab. Das Hemd wurde nur lose von Händen zusammengehalten, die schmal waren, ohne edel zu sein. Sogar die Gänsehaut auf den bronzebraunen, meersalz-bestäubten Schenkeln gab das Foto wieder, es zeigte jeden Wassertropfen und selbst den schattenhaften Flaum auf Oberlippe und Armen. Der Bildtext sagte in der üblich forschen Sprache: „Dies, deutsche Jungs und Mädels, ist Ulla Frigg von Eycke, ehemals Kommandeuse des Frauen-KL ‚Dora’, jetzt Gattin des SS -Obersturmbannführers und Inspekteurs für Wirtschaftsfragen im Oberabschnitt Fulda-Werra Erik Meinolf von Eycke, am Strand des Erholungsheimes der Leibstandarte SS ‚ Adolf Hitler’ in Sotschi, Schwarzmeerküste.“ Und darunter stand: „Die Hüterin der Art.“
    Die Hüterin der Art, das wußte Höllriegl aus verläßlicher Quelle, hatte vier Fehlgeburten gehabt. Nur die ersten Kinder lebten: Manfred und Erda, die Zwillinge. Diese kraftstrotzende Deutschbaltin, Idealbild der Blau-Blond-Rasse, war wie ein schöner, wurmstichiger Apfel. Seit geraumer Zeit litt Frau von Eycke an einem unerklärlichen Nervenübel, an verfolgungswahnähnlichen Einbildungen, jähen Stimmungsumschwüngen, Anfällen von kalter Wut, Schlaflosigkeit, auch an einer Überreizung bestimmter Hautzonen. Die Ärzte brachten diese Erscheinungen mit dem Beginn des Wechsels in Zusammenhang, andere Anzeichen wieder sprachen gegen diese Diagnose. Trotz vielerlei Kuren schien eine Heilung des immer lästiger werdenden Übels aussichtslos. Höllriegl war bei einer Tagung der NS-Naturärzte in Radebeul zufällig mit den Eyckes zusammengetroffen. Er hatte, nachdem er über Ullas Krankengeschichte unterrichtet worden war, seine Dienste als „Radiästhesist“ angeboten und die Eyckes zu überreden versucht, ihr Haus bei Heydrich, wo Ulla mit den Zwillingen zumeist wohnte, vor allem die Schlafräume, gegen Erdstrahlen abschirmen zu lassen. Eycke, der Hüne mit dem kleinen, dunklen, ledernen Aasgeierkopf und den hellen, bösen Augen im verwitterten, von Schmissen gekerbten Gesicht („Schauerliche Visage!“), hatte zuerst nur hassenswert ironisch dreingeblickt. Ihm und Ulla war einiges über Höllriegls „Pendlerei“ zu Ohren gekommen, sie hatten auch von seinen Erfolgen gehört – zu Höllriegls Kunden zählten, noch in der ostmärkischen Zeit, leitende Parteimitglieder und die Gattinnen politisch einflußreicher Industrieführer –, den Ausschlag aber gab Eyckes kränkelnde Schwester Anselma, die lange in den Tropen gelebt hatte, ein seltsam schlaffes Geschöpf, ganz Auge, mit trägen, pflanzenhaften Bewegungen und blasser, leberfleckiger Haut (ein größerer Gegensatz zu Ulla war kaum denkbar!). Skeptisch lächelnd und zurückhaltend gaben die Eyckes ihre Einwilligung. Und heute nachmittag sollte die erste Untersuchung sein.
    Ulla hatte auf Höllriegl einen zwiespältigen, jedenfalls magnetischen Eindruck gemacht. Das Rassige, Herrschsüchtige, Fanatische dieser Frau zogen ihn vom ersten Augenblick an in ihren Bann; das Ordinäre, Brutale, Blitzmädelhafte ihres Wesens stießen ihn ab. Von ihrer Unberechenbarkeit und Grausamkeit, auch von ihren gewagten Ritten, ging der Fama der Mund über. Frau von Eycke, damals noch Ulrike Mlakar, war eine der strengsten KL-Kommandeusen gewesen; ihre Lagerführung in Stutthof und Groß-Rosen wurde in breitesten Parteikreisen ebenso rasch ruchbar wie ihr Fanatismus den Spitzen der politischen Hierarchie. Durch gewisse Erziehungsmethoden (die für die weiblichen Häftlinge nicht immer gut ausgingen) hatte sie sich schon früh einen geachteten
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