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Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Titel: Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
Autoren: Sandra Andrea Huber
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Beziehungskisten-Thematik konnte ihrer Meinung nach ruhig noch auf sich warten. Es gab Interessanteres zu besprechen. Genau genommen so viel, dass sie gar nicht wusste, wo sie zuerst anfangen sollten.
    „Ich rufe ihn kurz zurück, damit er sich beruhigt und in keine wilden Geschichten hineinsteigert. Und dann will ich meine Antworten.“
    „Das hast du also nicht vergessen“, sagte er seltsam tonlos und deutete an ihr vorbei auf den hölzernen Tisch, an dem sie sich gestern ihr Bein gestoßen hatte.
    Sie glitt vom Stuhl, griff das Handy vom Tisch und wählte die Nummer. „Hey Josh, ich bin’s. Ich …“ ---- "Nein, ich konnte nicht ...“ ---- „Ich … es ist alles in Ordnung.“ ---- „Es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe. Ich …“ ---- "Nein, das habe ich nicht. Ich bin bei Nick, einem Freund. Ich erzähl dir alles, wenn ich nach Hause …“ ---- „Es geht mir wirklich gut. Ja …“ ---- "Bis später …“ Mit einem leisen Seufzer legte sie auf und wandte sich wieder zu Nikolaj um, der ihren Blick mit undeutbarer Miene erwiderte.
    „Tja … klingt fast so, als hätte ich bei deinem Freund keinen Stein im Brett. Wie schade.“ Er sagte es aus einer Mischung von Bedauern, Belustigung und eisiger Gleichgültigkeit heraus.
    „Er wird dich mögen. Er muss dich mögen.“
    Auf ihre letzten Worte hin, breitete sich wieder ein charismatisches Grinsen auf Nicks Gesicht aus. „Ich könnte mir vorstellen, dass du Hunger hast?“ Sie nickte eifrig.
    „Gut, dass du so lange geschlafen hast, sonst hätte ich dir nur einen leeren Kühlschrank anbieten können. Ich hatte keinen Besuch erwartet – erst recht keinen, der Hunger mitbringt.“
    „Du warst weg?“ Sie bemerkte den anklagenden Ton in ihrer Stimme erst, als ihre Worte bereits ausgesprochen waren.
    Er sah sie unvermittelt an. „Ich war nur für einen Augenblick weg. Du hättest es kaum bemerkt – selbst wenn du wach gewesen wärst. Ich sagte doch, dass ich auf dich aufpasse.“ Er hatte mit glasklarer Stimme gesprochen, die keinen Zweifel am Ernst seiner Worte ließ.
    Wirr schüttelte sie den Kopf. „Tut mir leid … ich bin noch nicht wieder ganz ich selbst, sondern hänge irgendwo zwischen durchgeknallte Verrückte und apathische Schlafwandlerin fest. Ich wollte dich nicht blöd anmachen.“ Nikolajs Augen funkelten. „Das weiß ich. Aber das hast du ja auch gar nicht. Nicht richtig. Dazu gehört schon einiges mehr. Und selbst wenn, du weißt ja: Du bist die Einzige, der ich es durchgehen lassen würde, mich blöd anzumachen.“
    Sie musste grinsen. „Na, das hättest du Mick Thomsen vielleicht sagen sollen, 
bevor 
er diesen Fehler begehen konnte. Ich erinnere mich immer noch an seinen seltsam ängstlichen Sinneswandel, nachdem du … nachdem du gemacht hast, was auch immer du mit ihm gemacht hast. Dir blöd zu kommen, ist wirklich noch keinem gut bekommen. Da kann ich doch wirklich erleichtert sein, dass ich dich mit meinem Charme so in der Hand habe.“
    Nikolaj lachte laut los.
    Mit geneigtem Kopf sah sie ihn an. Immer noch schien ihr alles surreal. Gestern hatte sie wie jeden Tag zuvor an ihn gedacht und sich gefragt, wie er jetzt wohl aussah, wie es ihm ging, ob er noch an sie dachte. Und heute, heute saß sie in seiner Wohnung und unterhielt sich mit ihm, als wäre er nie fort gewesen. Als wäre sie nie fort gewesen.
    „Ich hab dich so vermisst.“ Sie legte sämtliche Sehnsucht der letzten Jahre in diese Worte und doch konnten sie nicht annähernd vermitteln, wie tief diese Sehnsucht tatsächlich in ihr gebrannt hatte.
    „Ich hab dich nicht weniger vermisst, Gweny.“ Aus seinem Munde klang es, als wäre ihre Sehnsucht lediglich ein Schatten der Seinigen.
    Sie hielten den Moment, ohne ein Wort zu sagen. Gemeinsam zu schweigen, war ihnen noch nie schwergefallen. Oft hatten sie sich in klaren Nächten heimlich auf dem Spielplatz getroffen, bepackt mit einer Decke, um Sterne zu beobachten. Von Anfang an waren solche Momente, solche stummen Augenblicke, ebenso besonders und angenehm wie alle anderen auch gewesen. Jeder hatte einfach die Anwesenheit des anderen genossen und sich nicht gezwungen gefühlt, etwas sagen zu müssen. Das war etwas, wie sie die letzten Jahre hatte feststellen müssen, dass nicht alle Menschen konnten: Stille zwischen einander ertragen und obendrein als unbedrohlich, gar als angenehm empfinden. Somit war es eine Besonderheit zwischen ihr und Nikolaj, die zwischen ihnen herrschte und sie
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