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Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Titel: Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
Autoren: Sandra Andrea Huber
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Weise, sodass er nicht davon loskam.
    Nicht sicher, ob sein Auftauchen nun Rettung oder noch mehr Peinigung bedeutete, hatte das Mädchen ihr Gesicht starr auf den Boden zu ihren Füßen gerichtet – schien sich seines fixierenden Blickes jedoch bewusst zu sein.  Nach einer längeren Weile entzog er ihr etwas mühsam seine Aufmerksamkeit, richtete sie erneut an die vormals gesprochene und scheinbare Anführerin der Truppe. „Ich bin Nikolaj. Ich will, dass ihr verschwindet. Sofort. Und ich will, dass ihr niemals wieder in ihre Nähe kommt.“ Er sprach mit unmissverständlicher Autorität und Bestimmtheit, die dem Mund eines Kindes nicht zuzutrauen gewesen wären. Doch genau genommen, war er ja auch kein normales Kind, kein normaler dreizehnjähriger Junge.
    Obwohl seine Worte sichtliches Unbehagen über das vorlaute Mädchen und ihre Begleiterinnen hinweg rollen ließ, brachte die Blondhaarige trotzig eine Erwiderung hervor: „Du hast uns gar nichts zu sagen! Für wen hältst du dich eigentlich?!“
    Er ließ den Blick ungerührt und starr auf ihr ruhen. Sein Gesicht verriet weder einen seiner Gedanken, noch eine seiner Emotionen. Es gab nichts von dem Preis, was in ihm aufwogte und aufzüngelte.
    Ein paar Sekunden verstrichen, ohne dass sich das Bild änderte.  Dann plötzlich gab eines der Mädchen keuchende Atemgeräusche von sich und fing an zu schreien.  Erschrocken wandten sich die beiden anderen in ihre Richtung, würgten, ehe auch sie hektisch die Hände ans Gesicht hoben, um einen Fluss karmesinroten Bluts aufzufangen, der ihnen aus der Nase quoll.
    Er beobachte das Geschehen ohne die geringste Regung oder Erschrockenheit. Beobachtete, wie die Mädchen mit Panik und Unverständnis auf den Gesichtern zurückwichen, über den Spielplatz hin zur Straße liefen, um eine Ecke bogen und verschwanden.  Auch das brünetthaarige Mädchen hatte die Szenerie wortlos, aber mit überrascht geweiteten Augen, verfolgt und wandte sich nun, da sie alleine waren, vollends ihm zu.  Ein paar Minuten standen sie schlicht da und sahen sich an. Das Mädchen musterte ihn, schien ihre Gedanken ihm gegenüber zu ordnen und ein Urteil zu fällen. Er wartete seltsam angespannt ihre Reaktion ab.
    Endlich, nach ein paar weiteren Minuten, machte sie einige zögerliche Schritte auf ihn zu, lächelte und sagte: „Danke.“  Eine zarte Duftwolke lieblichen und süßlichen Aromas wogte ihm entgegen, kitzelte verlockend in seiner Nase und ließ ihn noch tiefer einatmen.
    Als er antwortete, gingen die Worte aus einer Leichtigkeit hervor, die ihm fremd war. „Hab ich gern getan.“  Daraufhin heftete sich sein Blick, wie schon zuvor, abermals gebannt auf ihr Gesicht. All seine Gedanken, alles in ihm, pochte laut und intensiv und dann drangen die Worte von ganz allein aus seinem Mund: „Du gehörst jetzt mir.“
    Sie kniff die Augen zusammen, legte den Kopf leicht schräg und bedachte ihn mit einem nachsinnenden Ausdruck. „Niemand gehört irgendwem. Aber wir können Freunde sein, wenn du möchtest. Ich bin Gwen.“ Sie hob die Hand und hielt sie ihm entgegen.
    Er wusste nicht, was er sagen sollte. Ihre Antwort verärgerte und irritierte ihn, ließ Trotz und Widerwillen in ihm aufkommen, ebenso wie sie ein kribbelnd warmes Gefühl in seiner Brust aufwallen ließ, das sich mit dem lieblichen Duft paarte und durch ihn tanzte.  Im Griff dieses inneren Chaos nahm er ihre Hand und erwiderte mit festem Blick in ihre hellbraunen Augen: „Du kannst mich Nick nennen.“

     

EINS

    Gwen zog den ausladenden Kragen ihres kobaltblauen Mantels dicht hinauf um ihren Nacken und beschleunigte ihre Schritte. Sie war müde, fror und wollte auf dem schnellsten Wege nach Hause. Eigentlich hätte ihre Schicht bereits vor drei Stunden enden sollen, doch ein Notfall hatte sie länger im Krankenhaus festgehalten. Das war nicht unbedingt ein Einzelfall. Es kam häufig vor, dass sie über ihre Schicht hinaus arbeitete oder dass man sie nachts anrief, weil Assistenzärzte die Ersten waren, die man aus dem Bett scheuchte. Normalerweise kam sie damit gut zurecht. Schließlich hatte sie sich diesen Beruf ausgesucht, obwohl ihr vorab bewusst gewesen war, dass die Arbeit einer Ärztin einiges von ihr selbst und auch von ihrer Zeit fordern würde und sie das ein oder andere Mal auf einen erholsamen und langen Schlaf würde verzichten müssen. Aber sie liebte, was sie tat. Diese Tatsache schmälerte die Anstrengung jeder
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