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Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Titel: Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
Autoren: Sandra Andrea Huber
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ein.
    Sie drehte sich auf den Rücken und setzte sich leicht aufrecht, um den Raum besser in Augenschein nehmen zu können. Er sah offenkundig nach einem Schlafzimmer aus. An der linken Wandseite stand ein großer Kleiderschrank aus dunklem Holz. Sie selbst lag in einem breiten Futonbett mit kobaltblauer Bettwäsche. Eine Kommode stand gegenüber vom Bett neben einer Tür, die offensichtlich in den Rest der Wohnung führte.
    Sie ließ sich wieder in die Kissen fallen und atmete mehrmals tief durch. Der schöne Traum tanzte zwar immer noch in ihrem Sinn, jedoch fühlte sie sich trotzdem seltsam zerrissen und uneins. Ganz so, als ob ein paar Teile ihrer selbst in weiter Ferne verstreut worden wären. Ihr war klar, dass ihre Psyche immer noch an einem Schock knabberte und das jene Gefühle der Unvollständigkeit und Apartheid die daraus resultierenden Ergebnisse waren. Eine Selbstschutzmaßnahme, die verhindern sollte, dass sie einen totalen Nervenzusammenbruch erlitt. Gehäuft hatte sie darüber gelesen. Gehäuft hatte sie in der Notaufnahme miterlebt, wie traumatisierte und unter Schock stehende Patienten eingeliefert wurden und scheinbar völlig desorientiert und außerhalb von sich selbst standen. Sie gaben dann eine Menge irrsinniges und abwegiges Zeug von sich, wie etwa, dass sie unbedingt noch den Knopf am Hemd ihres Mannes annähen oder morgen früh dringend Lunchpakete für die Kinder herrichten mussten. Der Verstand legte erstmals einen schwarzen Schleier über die traumatischen Erinnerungen, um der Psyche die Möglichkeit zur Erholung einzuräumen, ehe man sich mit dem vollen Ausmaß konfrontieren musste. Sie selbst hatte diese Symptome bisher noch nie am eigenen Leib erfahren – und es war ein himmelweiter Unterschied etwas theoretisch zu wissen, an anderen gesehen zu haben oder es selbst zu erfahren. Jetzt selbst mittendrin zu stecken, verlieh dem Ganzen einen gänzlich neuen Horizont von Verstehen.
    Sie wusste, dass es nichts bringen würde, gegen ihre derzeitige Verfassung anzukämpfen – daher versuchte sie nicht, die Bilder der letzten Nacht in sich wachzurufen oder darüber nachzudenken. Stattdessen gab sie sich ihrem löchrigen Gemütszustand in bestmöglicher Akzeptanz hin.
    Sie drehte sich auf den Bauch, grub ihr Gesicht tief in das Kopfkissen und sog dessen Duft tief in sich ein. Es war ein erdiger, moschusartiger Geruch mit einer kühlen und frischen Nuance versetzt, der dort schwebte. Ein Aroma, das sowohl ein Gefühl von Beständigkeit als auch von Weite in ihr aufkommen ließ.
    Eine Weile überließ sie sich diesem herrlichen Sinnesgenuss, ehe sie sich vollends aufsaß, aus dem Bett rekelte und die Tür ansteuerte. Was sie nun dringend brauchte, war eine große Tasse Kaffee und nach Möglichkeit auch etwas zu essen.
    Die Tür führte sie in einen hohen Wohn- und Essraum, der sie der breiten Holzbalken an der Decke und der gemauerten Wände wegen auf eine Loftwohnung schließen ließ. Der Boden war aus honigfarbenen Dielen getäfelt, die rechte Wandseite bestand aus einer riesigen Fensterfront, durch die sanftes Sonnenlicht hereinströmte. In der vorderen Mitte des Raums standen eine braune Couch und ein Sessel, ein quadratischer Holztisch und ein schmales Bord, auf dem ein Flachbildfernseher prangte. An der Decke hingen einige an den Holzbalken angebrachte Leisten, von denen silberne Strahler in verschiedene Winkel des Raums zeigten. Links neben der Haustür gab es eine Küchenzeile sowie eine breite Theke, vor der drei hohe Stühle standen. Ansonsten gab es noch ein paar offene und geschlossene Schränke und Kommoden, ebenfalls aus dunklem Holz, die größtenteils Bücher offenbarten.
    Schließlich blieb ihr Blick an Nikolaj kleben, der rückseitig der Theke mit durchgesteckten Armen, den Oberkörper nach vorne gebeugt da stand und sie mit einem verschmitzten Lächeln ansah. „Morgen, Murmeltier. Gut geschlafen?“
    „Ich denke schon. Ich bin jedenfalls gerade zum ersten Mal wach geworden. Außerdem … hatte ich einen herrlichen Traum.“
    Ein schelmischer Zug stahl sich auf Nikolajs Gesicht. „Hmmm … tatsächlich? Um was ging’s denn?“
    „Es war Nacht und wir waren auf einer riesigen Wiese in einem Park. Du hattest eine Decke dabei, auf die wir uns gelegt und die Sterne beobachtet haben. So wie früher …“
    „Tja … dann hast wohl nicht nur du herrlich geträumt. Ich hatte nämlich den gleichen Traum.“
    Skeptisch zog sie die Stirn in Falten. „Den gleichen Traum? Das
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