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Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Titel: Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
Autoren: Sandra Andrea Huber
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tatsächlich so etwas wie Anerkennung darinzu erkennen.
    Dann ging, wie schon beim ersten Mal, ein Ruck durch den Körper der Sensatin. Das Schwarz der Iris und das Rot der Pupille verglühten und wichen einem Blaugrau, dem binnen eines Atemzugs das Licht des Lebens entwich. Die Blondine wankte, fiel seitlich zu Boden und ließ nur mehr Schweigen zurück.
    Zwei tiefe Atemzüge um ihren Puls zu beruhigen und ausreichend Sauerstoff in ihre Lungen zu bringen. Mehr Zeit gab Gwen sich nicht, um ihren Sieg zu genießen oder das Geschehen nochmals in ihrem Geiste Revue passieren zu lassen. Noch ehe der Schmerz wieder in den Fokus ihrer Wahrnehmung rücken konnte, stemmte sie sich an der Wand in ihrem Rücken in die Höhe, rannte zur Tür, riss sie auf und stürzte aus dem gläsernen und blutbefleckten Red Corner.
    Sie lief über den blanken Marmorboden, keine Richtung, kein Ziel vor Augen, gelangte an die Treppe, über die Céstine sie zuvor in das obere Stockwerk getrieben hatte. Ihr Fuß verließ gerade die letzte Stufe, da prallte sie noch im schwungvollen Flug gegen einen Körper, der durch ihren Drall für den Bruchteil einer Sekunde selbst leicht nach hinten gerissen wurde.
    Sie hob den Kopf und sah in das Gesicht von Nikolaj. Seine Augen wanderten fliegend über ihren Körper, der Mund öffnete sich zu einem erschrockenen Ausdruck. Ein Keuchen entwich seiner Kehle, gefolgt von einer merkwürdigen Starre, die ihm über das Gesicht kroch. Und – ja, wirklich: Blaue Sprenkel blitzten durch das Schwarz seiner Iris, wie Eisschollen inmitten des nächtlichen arktischen Ozeans.
    Sie konnte jedoch keinen Gedanken bilden, den sie zu Worten formen und aussprechen hätte können. Alles in ihr war stumm. Selbst der Schmerz schwieg immer noch. Das leuchtende Blut auf ihrem Körper sprach statt ihrer deutlich und laut genug.
    Von Weitem sah sie Merkas und zwei Männer auf sie zukommen. Sie mussten Rufe von sich geben, denn Nikolaj wand sich ruckartig herum. Ihre Ohren jedoch hörten nichts. Ihr Verstand dachte nichts. Ihr Körper fühlte nichts. Da waren nur Leere und Stille. In ihr und um sie herum.
    Plötzlich vibrierte die Luft, wie der schnelle Flügelschlag eines Kolibris, gab ein monotones und beständiges Summen von sich. Nikolaj hatte sich wieder zu ihr gewandt, gewährte ihr für einen Sekundenbruchteil die völlige Intensität seines Blicks, ehe ihr einen kräftigen Schubs gegen die Brust verpasste, sodass sie nach hinten kippte.
    Sie fiel direkt hinein in den pulsierenden Schleier, der ihren Magen aufwirbelte, als befände sie sich im Sturzflug von großer Höhe. Ein kurzes Blinzeln, dann prallte sie mit Gesäß und Rücken hart auf kaltem Grund auf und verlor für einen Moment sämtliche Luft aus den Lungen.
    Der Länge nach niedergestreckt blieb sie liegen und starrte gen Himmel, der sich vom Tageslicht verabschiedete und der Ankunft der Nacht Raum gewährte. Zarte Flocken fielen von hoch oben herab, kamen auf ihrer nackten Haut und auf dem Grund um sie herum auf. Ihr Herz galoppierte in einem unbeständigen Rhythmus, flutete ihren Körper mit einem allgegenwärtigen Trommelschlag, der all die Geräusche außerhalb ihrer selbst in den Hintergrund rückte.
    Eigentlich war es bedeutungslos, ohne Wert und Sinn. Doch etwas in ihr drängte ihren Oberkörper ein Stück weit in die Höhe, um aufzunehmen, wo sie sich befand.
    Bereits ein kurzer und mühevoller Blick nach den Seiten reichte aus, um ihr zu sagen, welches Stückchen Land der Himmel über ihr umstülpte. Sie war zurück. Zurück an dem Ort, an welchem vor zwölf Jahren alles seinen Ursprung genommen hatte. An dem sich das Leben eines Jungen und das eines Mädchens miteinander verwoben hatte. Nikolaj hatte sie an ihrer beider Anfang gebracht. Doch auch wenn der Ort noch immer der gleiche war, so war doch sonst nichts mehr, wie irgendwann zuvor in ihrem Leben.
    Ihre Kraft verließ sie, sodass sie wieder zurück auf den Boden sank. Müdigkeit und Schwere übermannten ihre Augen, drückten ihre Lider hinab und entzogen ihr die Sicht auf die Welt. In ihr flog alles chaotisch durcheinander, stabilisierte sich, stand erneut Kopf, fiel in die Tiefe und vermittelte ihr das Gefühl, keinen Körper und keine festen Grenzen mehr zu haben, obwohl zeitgleich von irgendwoher etwas Bohrendes, unsäglich Schweres und Beengtes, an ihr zehrte und nagte.
    Sie mühte sich, ihre Augen wieder aufzuschlagen. Irgendwie war ihr, als ob sie das tun sollte, tun müsste. Warum, war ihr
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