Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Titel: Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
Autoren: Sandra Andrea Huber
Vom Netzwerk:
ein Glück, dass es in diesem Raum keinen Spiegel gab. Wobei eigentlich das Gefühl, in ihrer Haut zu stecken, schon ausreichte, um klar zu machen, dass sie nicht annähernd mehr nach sich selbst, dafür aber umso mehr nach schmackhafter Beute aussah.
    Anna packte den Schminkkoffer zusammen, nahm ihn auf den Arm und sah sie nervös an. „Ich soll wieder gehen, wenn ich fertig bin …“
    Abermals nickte Gwen, den deutlichen Anflug von Unbehagen auf dem Gesicht tragend. „In Ordnung.“
    Die junge Frau schenkte ihr ein letztes Lächeln, machte kehrt, öffnete die Tür, verschwand nach draußen und ließ sie allein zurück.
    Einige Augenblicke lang saß sie noch ziemlich verstört dreinblickend da. Dann stöckelte sie zur Tür und zog sie auf. Sogleich baute sich ihr Wachhund, Typ stämmiger aber dümmlich wirkender Pit Bull, vor ihr im Türrahmen auf.
    Mit einem Blick vom Haaransatz bis zu den Zehenspitzen musterte er sie. Ein Grinsen kroch über sein Gesicht. „Na also. Geht doch.“

***
     
     

    Neben dem Pit Bull, oder besser seitlich von ihm mitgeschleift, humpelte Gwen über schwarzen, kalt und hart wirkenden Marmorboden hinweg. Die Wände des Gebäudes, des „kulinarischen Sport- und Jagdclubs“, waren allesamt mit roter Farbe gestrichen und wurden von orientalisch anmutenden Wandleuchtern und gedämpftem Neon- und Schwarzlichtröhren von irgendwo oberhalb bestrahlt. Ersteres verströmte eine gewisse behagliche Wärme, die das künstliche Licht jedoch wieder zunichtemachte. Zusammengefasst wirkte die Beleuchtung verlockend und geheimnisvoll, gleichzeitig aber gefährlich und bedrohlich, da es sie nebst der Gesamtsituation unpassenderweise an einen Horrorfilm erinnerte, den sie durch Nötigung ihrer Studienkollegen gesehen hatte. Diese bildhafte Assoziation hätte sich ihr Gehirn durchaus verkneifen können. Sie verspürte ohnehin genug Panik und Herzklopfen.
    Aus Lautsprechern, die irgendwo versteckt angebracht sein mussten, wehte dezente und anrüchige Musik mit tiefen Bässen und mehrdeutigen Noten durch die Luft, wurde von Boden und Wänden hin und hergeworfen und flog durch den Korridor.
    Der lange Flur, mit abzweigenden Separées und gläsernen Fronten, erinnerte Gwen offenkundig an ein Bordell oder eine Art Nachtclub mit erotischem Bonusprogramm. Vielleicht multiplizierte ihr Verstand dieses Aussehen aber auch einfach nur mit den Informationen, die sie über diesen Ort hatte.
    Jedenfalls gab es Räume, die durch eine blickdichte Tür verschlossen waren. Räume, die lediglich durch einen durchsichtigen Vorhang oder Fäden verhüllt wurden. Und Räume, deren Eingang gänzlich offenstand und überdies Gucklöcher in der Wand bot, durch die man hineinsehen konnte. Nicht zu vergessen die Zimmer mit Glasfront, die einen umfassenden Einblick gewährten. Ihr Eingang musste rückseitig liegen, denn vom Flur aus konnte man nicht in ihr Inneres gelangen.
    Zwar blieb nicht allzu viel Zeit, um alles in Gänze aufzunehmen, doch konnte sie hin und wieder mehr als nur einen kurzen und verblassenden Einblick erhaschen. Jedes des Separées hatte offenkundig ein eigenes Flair – wenn sich auch alle vorwiegend durch Rot- und Schwarztöne und gedimmtes Licht auszeichneten. Aus einigen Zimmern blitzten große Spiegelflächen heraus, in anderen gab es überdimensionale Betten oder gar über den gesamten Boden auslaufende Spielwiesen. Auch Fesseln und Ketten an den Wänden und Pole-Dance-Stangen blieben nicht aus. Zusammengefasst hätte sie immer noch denken können, es handle sich um ein ganz normales Freudenhaus. Rein darauf fokussiert, was sich ihr darbot - nicht darauf, was sie wusste.
    Ein paar Schritte weiter jedoch, kamen sie an einem Zimmer vorbei, dass diese unschuldige Illusion ein für allemal zerstörte. Im Inneren stand ein Mann hinter einer Frau, den Kopf nach vorne gebeugt und presste seinen Mund dicht an ihren Hals. Es hätte eine Liebkosung sein können – wäre da nicht das feine Rinnsal Blut gewesen, das ihr Schlüsselbein hinab lief und die weiße Spitzenunterwäsche rot färbte.
    Sie blieb ruckartig stehen. Ihr Atem stockte.
    Es bedeutet, dass hier gegessen, genossen und gejagt wird. Nur eben nicht von oder mit Essen, Pferden und Wild.
    Sie wollte nicht glauben, wie genau diese Worte tatsächlich umgesetzt wurden.
    Da ihr Wachhund sie fester um den Arm packte und weiter mit sich schleifte, blieb ihr keine Möglichkeit, die Bedeutung oder Details dieser Szene mit einem zweiten Blick zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher