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Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman

Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman

Titel: Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
Autoren: Susanne Reinker
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Nach einer komplizierten Systematik hat mein Gatte hier Dutzende identischer Tontöpfe in Reih und Glied angeordnet und mit sorgfältig beschrifteten Etiketten versehen: Crassula ovata, Sedum furfuraceum, Sempervivum tectorum, Echeveria pulvinata.
    Obwohl Ehefrauen ja stets anstreben sollten, die Leidenschaften ihrer Gatten zu teilen, hat sich mir der Reiz dieser Gewächse nie ganz erschlossen. Thomas sieht das natürlich völlig anders. Er beglückt Besucher gerne mit Kurzvorträgen über die Freuden des Sukkulentenzüchtens, über Selbstfertilität und vegetative Vermehrung.
    Wie die funktioniert, habe inzwischen sogar ich kapiert, weil Thomas mir das Wunder der Stecklingsvermehrung jedes Mal ausführlich erklärt, wenn er im Urlaub Ableger sammelt. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn wir in touristisch ansprechenden Gegenden Afrikas oder Südamerikas nach Sukkulenten suchen würden. Thomas hat sich allerdings auf Fettpflanzen des Schweizer Alpenraums spezialisiert. Weswegen wir seit Jahren grundsätzlich Urlaub im Engadin machen.
    »Hast du gesehen, wie gut sich unser neues Sempervivum montanum macht?«, fragt Thomas mit leuchtenden Augen und der Begeisterung eines stolzen Sukkulentenvaters.
    Bei ihm sind solche emotionalen Regungen ja eher selten. Früher habe ich mich sogar gefragt, ob er wohl unseren Kindern ähnlich starke Gefühle entgegenbringen würde wie seinen Fettpflanzen. Eine Zeit lang haben wir in dieser Richtung einige Anstrengungen unternommen. Fruchtbare Tage ausgerechnet, Beischlaf-Zeitfenster in Terminkalender integriert. Mit vollem Körpereinsatz für eine fertile Begegnung zwischen Ovulum und Spermium gesorgt, wie Thomas es mal launig formulierte.
    In dieser Zeit verzichtete er sogar darauf, auf seinen sommerlichen Rennradtouren Lycra-Pants anzuziehen, um der statistisch belegten Gefahr einer Hodenüberhitzung vorzubeugen.
    Hat aber alles nichts gebracht. Nach ein paar Monaten haben wir das Projekt »Nachwuchs« dann stillschweigend zu den Akten gelegt. Vermutlich weil wir beide insgeheim erkannt haben, dass Thomas inzwischen die vegetative Stecklingsvermehrung jeder humanerotischen Vereinigung vorzieht.
    »Ich bin übrigens morgen Abend bei Neele eingeladen«, teile ich Thomas’ über einen Blumentopf gebeugtem Rücken mit. »Du weißt schon, unser Filmabend.«
    »Und was ist mit heute Abend? Wollen wir zusammen Tatort gucken?«
    Aber Schatz, wie kannst du so was fragen? Seit zehn Jahren gucken wir zusammen Tatort . Jeden Sonntag, den der Herrgott uns schenkt. Vorher Nachrichten, hinterher Talkshow, dazwischen Wein und Häppchen.
    Neele nennt das »Spießertum im fortgeschrittenen Stadium«. Ich nenne es »liebenswertes Ritual«.
    Aber nur pro forma. Insgeheim frage ich mich manchmal, was Thomas und ich uns wohl in 20 Jahren noch zu sagen haben, sieht man von gelegentlichen Kommentaren zum aktuellen Fernsehprogramm mal ab.
    v v v
    »Ahh! Endlich! Mädelsabende sind wie ein Licht in dunkler Nacht!« Mit einem Seufzer der Erleichterung werfe ich mich auf Neeles schicke stahlblaue Sitzlandschaft.
    Wie es sich in etablierten Beziehungen gehört, hatten wir eine Zeit lang Pärchentreffen organisiert. Bei denen unterhielt Thomas uns mit aktuellen statistischen Erkenntnissen, Stefan versuchte uns für den japanischen Avantgarde-Film der 50er-Jahre zu begeistern, Neeles jeweilige Lover steuerten Anekdoten aus ihrem Arbeitsleben bei, und so war es meistens ein gelungener Abend.
    Jedenfalls für die Jungs. Sie amüsierten sich prächtig, während wir höflich lachten, wo unser Einsatz gefragt schien. Und uns ansonsten tödlich langweilten.
    Small Talk zwischen Paaren ist zwar ganz nett, aber kein Ersatz für intime Plaudereien unter Frauen. Deshalb haben wir diese Runden wieder abgeschafft. Seitdem treffen wir uns meistens bei Neele.
    Erstens hat sie weder Mann noch Kind und damit keine festen Mitbewohner, die sie erst vor die Tür setzen müsste, bevor sie uns zur trauten Runde empfängt. Und zweitens hat sie einen riesigen Fernseher sowie eine beachtliche DVD -Sammlung. In der Stefan allerdings vergeblich nach den Meisterwerken seiner geliebten japanischen Avantgarde-Regisseure suchen würde. Bei Neele gibt’s nur amerikanische Romanzen und Komödien. Glücklicherweise haben Martina und ich bei Kinofilmen zuverlässig denselben Geschmack wie sie.
    »Ach nee, muss das sein? Bitte nicht diese Kitschnummer mit Meryl Streep und Clint Eastwood!« Erstaunt schauen wir Martina an. Normalerweise liebt
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