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Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Titel: Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
Autoren: Thomas Görden
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einzugehen. Wenige Tage noch, dann war die große Stunde endlich da. Dann würde sich alle Energie in ihm konzentrieren. Er würde zum Engel mit dem Flammenschwert werden und Gottes Licht und Liebe zurück zu den Menschen bringen. Das Licht würde den Sieg davontragen im Kampf gegen die Finsternis. Mit leisen Schritten ging er davon, um zu beten.

Zwei
     
    A ls Maggie an der elektrischen Getreidemühle stand und für eine Kundin Weizen mahlte, sah sie, wie etwas Putz von der Decke rieselte - zum Glück in der Ecke, sodass nichts davon auf die Brote im Regal fiel. Das alte Haus war baufällig und vermutlich gab es sehr vernünftige Gründe dafür, dass der Besitzer, Roland Vandenberg, es abreißen und etwas Neues an seine Stelle bauen wollte. In den eineinhalb Jahren, die Maggie jetzt hier wohnte, hatte er der Kommune zweimal mit der polizeilichen Räumung gedroht, diese Drohung aber bislang nicht in die Tat umgesetzt. Warum, wusste Maggie nicht. Gutmütigkeit war es wohl kaum, bei solchen reichen Geldsäcken steckte hinter allem, was sie taten, irgendein Kalkül.
    Maggie lächelte, während sie das Weizenmehl in eine Papiertüte füllte. Vielleicht sollte ich nicht so streng urteilen, dachte sie. Die Zeiten des harten Klassenkampfes gehören doch eigentlich der Vergangenheit an. Immerhin sind die Grünen inzwischen sogar in der Regierung. Möglicherweise fürchtete Vandenberg auch einfach den öffentlichen Wirbel, den eine gewaltsame Räumung des Hauses verursacht hätte. Es gab in Köln sonst praktisch keine besetzten Häuser mehr und das Ökotopia-Haus hatte für die Kölner Alternativszene einen hohen Symbolwert.
    Als sie der Kundin, einer älteren Frau, die regelmäßig hier im Bioladen einkaufte, das Mehl auf die Ladentheke stellen wollte, spürte sie plötzlich eine eigenartige Vibration. Der Boden unter ihren Füßen zitterte und Maggie ließ die Tüte fallen. Sie platzte auf, sodass sich unter einer kleinen Staubwolke das Mehl auf dem Boden verteilte. »Mist!«, sagte sie. »Tut mir Leid. Ich mahle Ihnen sofort neues.« »Was das wohl gerade war?«, fragte die Kundin. »Sie haben es auch gemerkt, nicht?«
    Maggie nickte. »Vielleicht ist ein schwerer Lastwagen vorbeigefahren«, sagte sie, dachte aber sofort, dass sie keinen Lastwagen gehört hatte und solche Erschütterungen sich anders anfühlten. Die Vibration schien von sehr tief unten gekommen zu sein, ein kurzes, schnelles Zittern im Erdboden. Doch jetzt war wieder alles ruhig. Vermutlich hatte irgendwo weiter weg eine Sprengung stattgefunden, drüben an der Großbaustelle des Media-Centers möglicherweise. Maggie mahlte neues Mehl, tippte dann die Preise der anderen Waren, die die Kundin auf die Theke gestellt hatte, in die Kasse. Dabei hörte sie, dass unten im Keller die kleine Tamara weinte. Maggie kassierte und rief dann nach hinten in den Laden: »Gunda, löst du mich ab? Ich schau mal nach den Kindern!«
    Gunda, groß, dick und rothaarig, stapfte her an. »Hast du das eben auch gespürt?«, fragte Maggie. Gunda grinste und sagte augenzwinkernd: »Ach, das waren bloß meine lastenschweren Schritte beim Kistenschleppen!« Maggie stieg die Kellertreppe hinunter. Heute Morgen war sie für die Kinderbetreuung eingeteilt, was aber in der Praxis bedeutete zwischendurch immer wieder im Laden mitzuhelfen. Maggie fand, dass sich durchaus sehen lassen konnte, was die Ökotopia-Kommune in diesem alten Kasten aufgebaut hatte, der sonst längst dem Abrissbagger zum Opfer gefallen wäre. Der Bioladen lief prima, zumal ein großer Teil der Szene aus Solidarität hier bei ihnen einkaufte. Und die Fahrradwerkstatt im Innenhof kam immer besser in Schwung. Vor einem guten halben Jahr hatten sie den Seminarraum im ersten Stock fertiggestellt, wo sich inzwischen etliche Gruppen und Initiativen trafen. Sie konnten wirklich zufrieden sein.
    Die Kinder waren verdächtig still. Dann rief Lukas, ihr Sohn: » Maggie! Kommst du mal?«
    Im vorderen Teil des Kellers wurden Vorräte für den Laden gelagert. Weiter hinten gab es einen halb leeren, halb mit altem Gerumpel gefüllten Raum, den die Kinder sich zum Abenteuerspielplatz auserkoren hatten. Durch ein kleines, hoch angebrachtes Gitterfenster drang etwas Tageslicht vom Hof herein und an der Decke hing eine Glühbirne. Sieben Kinder lebten hier in der Kommune. Die beiden größten waren in der Schule, um die Betreuung der Jüngeren kümmerte sich die Kommune selbst - sie würden noch früh genug von der Gesellschaft
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