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Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Titel: Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
Autoren: Thomas Görden
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und weißen Dampf in die Nachtluft pustend, unten vor dem Haus. Sie hoffte, dass der Frühling nicht mehr allzu weit entfernt war. Immerhin, die Kälte vertrieb Susannes Müdigkeit und verstärkte das Prickeln, das sie immer noch bei jedem neuen Mordfall empfand. Eigentlich müsste ich es doch mal leid werden, dachte sie.
    Tönsdorf schnipste einen Zigarettenstummel aus dem Seitenfenster. »Taxi ist da!«, brummte er.
    Während Susanne einstieg und sich anschnallte, steckte er sich die nächst e Zigarette zwischen die Lippen. »Ich könnte dir eine anbieten ...«
    »Mach dich so früh am Morgen bloß nicht unbeliebt«, entgegnete Susanne knurrig. In den drei nikotinfreien Wochen, die sie bislang durchgehalten hatte, war ihre Nase außerordentlich empfindlich geworden, und jetzt reizte Tönsdorfs Qualm sie zum Husten. Am liebst en hätte sie ihn gebeten die Zigarette auszumachen, aber in Anbetracht der Rauchschwaden, mit denen sie selbst im Lauf der Jahre ihre Kollegen eingenebelt hatte, konnte sie eine solche Rücksichtnahme wohl kaum verlangen. Also unterdrückte sie den Husten und kurbelte das Seitenfenster ein Stück herunter.
    Früher hätte sie das kaum für möglich gehalten, aber sie vermisste Mallmann, der für sechs Wochen auf Lehrgang war. Als Ersatz hatte Antweiler ihr Tönsdorf zugeteilt.
    Tönsdorf war gerade aus der »Kur« zurück. Offiziell wurde nur von Kur geredet, aber alle Kollegen wussten natürlich, dass es sich um eine Entziehungskur gehandelt hatte. »Ich möchte, dass Sie Tönsdorf für eine Weile übernehmen«, hatte Antweiler zu Susanne gesagt, »und ihn, nun ja, ein bisschen im Auge behalten. Außerdem weiß ich, dass Sie nicht mit ihm in die Kneipe gehen und ihn zum Trinken verführen wie gewisse andere liebenswerte Kollegen.«
    Ein Ersatz für Mallmann war Tönsdorf nicht, aber ein ganz passabler Polizist und Kollege, wenn er auch manchmal schrecklich viel redete. Der Alkohol war sein einziger echter Feind.
    »Was ist es denn?«, fragte Susanne. »Ein Penner?«
    Tönsdorf, dessen Bierbauch in der Kur kein Stück kleiner geworden war, sondern immer noch fast das Lenkrad berührte, machte ein bedeutungsvolles Gesicht und bekreuzigte sich theatralisch. »O nein. Viel heiliger.«
    Susanne lachte. »Am Ende der Herr Erzbischof persönlich.«
    »Gar nicht so weit daneben. Der Dompropst. Weihbischof Josef Oster. Jemand hat ihm den Schädel eingeschlagen.«
    »Heilige Scheiße!«, zischte Susanne.
    »Ziemlich heikel, das Ganze. Deswegen wollte der Alte auch, dass du die Sache übernimmst.«
    Das gewaltigste Gebäude der rheinischen Christenheit tauchte vor ihnen aus der Dunkelheit auf. Tönsdorf lenkte den Wagen auf die Domplatte und parkte rechts vom Dom neben anderen Polizeiwagen. Etliche Beamte standen herum, und es war - zum Glück - noch keine Presse zu sehen.
    Als Susanne aus dem Wagen stieg, schlug sie sofort ihren Jackenkragen hoch - in ganz Köln gab es keinen zugigeren Ort als die Domplatte! Sie erwiderte das Kopfnicken einiger Polizisten und stieg mit Tönsdorf über das im eisigen Wind knatternde rote Absperr- band, das um den Tatort gespannt war.
    Um die Kopfwunde besser betrachten zu können, ging sie neben dem toten Geistlichen in die Hocke. Aus dieser Position wirkte der Dom noch gewaltiger. Als Kind hatte Susanne die Kathedrale nie gemocht, an der die obligatorischen Sonntagsspaziergänge mit Vater und Bruder unvermeidlich vorbeiführten. Während ihr Vater dabei jedesmal mit sichtlichem Stolz das Wahrzeichen der Stadt betrachtete, hatte Susanne sich vor den vielen grauen Steinfiguren an den Portalen gefürchtet und sich gefragt, ob diese Gestalten mit den düsteren Gesichtern wohl nachts herumgeisterten und kleine Kinder erschreckten. Und sie hatte sich am Dom immer furchtbar winzig gefühlt. Vielleicht war sie deshalb später aus der Kirche ausgetreten - weil sie sich nicht mehr winzig fühlen wollte. Sie war sicher, dass ihr Vater ihr das bis zu seinem Tod nicht verziehen hatte.
    Der Dompropst, Susanne schätzte ihn auf Anfang sechzig, war ein ungewöhnlich gut aussehender Mann. Er hatte ein markant geschnittenes und zugleich um den Mund herum sanft wirkendes Gesicht, das von silbernen, gepflegten Locken gekrönt wurde. Sein großer, kräftiger Körper wirkte athletisch, ohne jeden Bauchansatz. Weiter sah sie, dass kaum Blut und Gewebeflüssigkeit aus der Kopfwunde ausgetreten war .
    »Er ist nicht hier erschlagen worden«, sagte sie zu Tönsdorf, der sich mit einem leisen
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