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Weltraumpartisanen 23: Vargo-Faktor

Titel: Weltraumpartisanen 23: Vargo-Faktor
Autoren: Mark Brandis
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Buch vor mich hin.
    „Mit einer Empfehlung des Commanders, Mr. Seebeck!" sagte er. „Wenn Sie das eine oder das andere daraus interessiert, läßt er es Ihnen gern kopieren."
    Das Buch hatte ich in Brandis' Kammer schon einmal gesehen: zusammen mit einem halben Hundert anderer Bücher im Regal. Es trug den Titel HANDBUCH DER KOSMISCHEN PHÄNOMENE, und die mich angehenden Seiten darin waren durch einen Zettel gekennzeichnet.
    „Richten Sie dem Commander meinen Dank aus, Lieutenant", sagte ich. „Sagen Sie ihm: das war ein guter Einfall."
    Wieder allein, machte ich mich an die Lektüre. Brandis hatte für komprimierte geistige Kost gesorgt. Das Handbuch enthielt alles, was mich interessieren konnte, in lexikalischer Bündigkeit.
    ENRICO VARGO, geb. 8.5.2014 in Venedig, durchlief anfangs eine Laufbahn als Astronaut. 34jährig begann er mit dem Studium der Astrophysik und promovierte 2055 summa cum laudum mit einer Dissertation über das Schwarze-Loch-Phänomen (siehe Vargo-Faktor). Als Inhaber eines Lehrstuhls für Astrophysik an der Universität Göttingen unternahm er mit seinem Expeditionsschiff AVANTI zahlreiche Forschungsreisen: vornehmlich zur Untersuchung der Zusätzlichen Gravitationen (ZG) und ihrer Ursache. Eine Reise im Jahr 2068 war als praktisches Experiment gedacht. Von ihr kehrte Vargo nicht zurück und ist seitdem verschollen. Der ausbrechende Bürgerkrieg vereitelte Nachforschungen nach seinem Verbleib.
    Ich zündete mir eine Zigarette an, stand auf und trat vor das Fenster. Der Anblick der Leere machte mich schaudern. Es gehörte nicht viel dazu, in ihr auf alle Zeit verlorenzugehen, ohne eine Spur zu hinterlassen. Wer hatte die Verschollenen je gezählt? Vargo war nur einer von vielen.
    Ich setzte mich zurück, machte mir ein paar Notizen, nahm noch einmal das Handbuch zur Hand und blätterte weiter. Erneut las ich mich fest.
    VARGO-FAKTOR: von Enrico Vargo im Zusammenhang mit der Schwarze-Loch- Theorie aufgestellte, unbewiesene Reduktionslehre. Vargo vermutet ortsbedingte Diskrepanzen zwischen organischer und anorganischer Reduktion. Er benutzt Einsteins Relativitätstheorie, um zu schlußfolgern, daß Reduktion nicht automatisch Tod bedeutet. Im
    Extremfalle könne die R. über den Faktor Null hinüberführen in eine andere Dimension. Die von Vargo angeblich errechnete Reduktionstabelle mit den aufgeschlüsselten Reduktionsfaktoren (Vargo-Faktoren) wurde in seinem Nachlaß nicht gefunden, so daß man annimmt, sie sei, falls sie überhaupt existiert, mit ihm zusammen verschollen.
    Einmal mehr in meinem Leben stellte ich fest, wie wenig ich wußte. Seitdem ich die Henri Dunant betreten hatte, drückte ich gewissermaßen erneut die Schulbank. Jeden Tag lernte ich etwas dazu.
    16. 11.2084
    Am Morgen - ich befand mich auf dem Weg zur Brücke - fing mich Commander Busch auf dem Gang ab und bat mich in seine Kammer. Auf dem Tisch lag ein Haufen Papiere. Busch hatte offenbar gearbeitet und war hinausgestürzt, als er meine Schritte vernahm.
    „Setzen Sie sich, Mr. Seebeck!" sagte er. „Wir sollten miteinander reden."
    Ich blieb stehen.
    „Schießen Sie los, Sir!"
    Offenbar hatte er sich die Unterhaltung einfacher vorgestellt. Er suchte nach Worten. Schließlich sagte er:
    „Mr. Seebeck, Sie wissen, wer ich bin und wen ich vertrete. Soll ich hinzufügen, daß die Globe Finance eine wohlwollende Presse immer zu honorieren wußte?"
    Die Katze war aus dem Sack. Busch hatte beschlossen, mich auf seine Seite zu ziehen. Nur der Preis brauchte noch ausgehandelt zu werden.
    Ich dachte an die zehn verlorenen Seelen auf dem Hospitalschiff Paracelsus. Busch hatte vor, sie zu opfern, um die GF vor etwaigen finanziellen Einbußen zu bewahren. Busch war ein erfahrener Commander. Offenbar sah er das Risiko, das sich mit dem Versuch einer Bergung verband, klarer als ich. Mir fiel ein, wie auch Brandis den Kommandanten der Albert Schweitzer aufgefordert hatte, auf der Hut zu sein.
    Irgend etwas in mir rebellierte; irgend etwas in mir zwang mich zu sagen: „Mir scheint, Sir, Sie haben einen falschen Eindruck von mir.
    Ich stehe nicht zum Verkauf."
    Ich verließ ihn und begab mich ins Cockpit. Auf der Brücke herrschte Hochbetrieb. Die navigatorischen Monitoren waren von huschenden Zahlenkolonnen beherrscht, das ganze Zulu-Arsenal der Raumkarten war eingeblendet, und während sich davor Captess Kato halblaut über Bordfunk mit dem Kartenhaus beriet, sprach Brandis über das LF-Mikrofon mit der Albert Schweitzer. Im
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