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Weltraumpartisanen 23: Vargo-Faktor

Titel: Weltraumpartisanen 23: Vargo-Faktor
Autoren: Mark Brandis
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Tournee unterbrechen mußte, weil er sich überschrieen hatte. Die offizielle Diagnose lautete: Kehlkopfreizung.
    Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte: einen Ruck, einen Schock, irgend etwas , vielleicht eine plötzliche Hitzewelle. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß man in den Strudel eintauchen konnte, ohne daß etwas Ungeheuerliches geschah. Aber genau so war es. Nichts geschah. Keine Warnung ging dem Eintauchen voraus, kein qualvolles Stöhnen lief durch das Schiff, als es sich fallen ließ. Das Loch war ein Nichts im Nichts. Der einzige Gradmesser waren die ruhigen Stimmen im Cockpit, war der monotone Dialog zwischen Brücke und Kartenhaus.
    „Frage: Fahrt?"
    „Positiv voll plus vier."
    Ich machte mich an die Entschlüsselung. Positiv bedeutete: voraus. Und da sich alle Angaben auf die konstruktiv bedingte normale Höchstgeschwindigkeit der Henri Dunant bezogen - gedachte 100 Prozent -, war mit plus vier ausgedrückt, daß wir diese Höchstgeschwindigkeit um vier Prozent oder Punkte, wie es in der Astronautensprache hieß, überschritten hatten.
    Der monotone Dialog zwischen Brücke und Kartenhaus setzte sich fort.
    „Frage: Fahrt?"
    „Positiv voll plus sechs."
    Der Sturz ging weiter: schneller und immer schneller. Nur wenige Atemzüge - und bereits zwei Punkte mehr! Welcher alle Vorstellungskraft übersteigende unsichtbare Magnet zog uns an: eine erloschene, in sich zusammengestürzte Sonne - oder einer von diesen unsichtbaren Zwergplaneten, wie sie immer wieder durch die Erzählungen der Astronauten geisterten? Die amtliche Schreibweise machte sich die Beantwortung einfach. Mit der Bezeichnung Kosmisches Phänomen legte man sich nicht fest. Die Zusätzlichen Gravitationen waren die am wenigsten erforschte Kraft zwischen Himmel und Erde - und das, obwohl man sicher sein mußte, daß Jahr für Jahr ihr etliche Schiffe zum Opfer fielen. Amtlich galten sie dann als vermißt. In die gleiche Rubrik wurden auch alle Opfer von Meteoritenstürmen, Energiestürmen und Piratenakten eingetragen. Die Statistiker warfen alles, was spurlos verschwunden blieb, in einen Topf, und der Topf war groß.
    „Frage: Fahrt?"
    „Positiv voll plus elf."
    Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Warum brach das Schiff nicht auseinander? Wenn nicht ich, dann mußte doch zumindest das Material diese wahnwitzige Geschwindigkeit spüren, die alles übertraf, was man theoretisch einem von Menschenhand erbauten
    Schiff zumuten durfte. Aber wo war sie überhaupt - diese Geschwindigkeit? Ich konnte sie nicht spüren, nicht sehen, nicht hören, nicht irgendwie sonst wahrnehmen.
    Der Lautsprecher knackte. Lieutenant O'Briens Stimme ließ sich vernehmen: ruhig und gefaßt, ohne eine Spur von meiner Panik.
    „Brücke - RC. Wir haben den Karbolkreuzer jetzt auf dem Schirm. Ich schalte auf Berta."
    „Danke, RC." Brandis richtete seinen Blick auf den mittleren der drei Radarmonitoren, auf dem ein winziger Lichtpunkt glomm. „Frage: Fahrt?"
    „Positiv voll plus neunzehn."
    Brandis wandte den Kopf kurz in meine Richtung.
    „Für den Fall, daß Sie auch Bilder benötigen, Martin - halten Sie sich bereit! Wir picken die Leute auf und machen uns aus dem Staub: so rasch uns die Füße tragen. Eine zweite Chance werden Sie nicht haben."
    So rasch uns die Füße tragen: das blieb aus Brandis' Mund das einzige Eingeständnis, daß wir uns in einer gefahrvollen Situation befanden. Er studierte bereits wieder den Monitor Berta. Der Lichtpunkt darauf war größer geworden und bekam Konturen. Die Henri Dunant hatte, wie beabsichtigt, der Paracelsus den Weg abgeschnitten. Der Augenblick der Begegnung stand unmittelbar bevor. Captess Kato entsicherte das Handruder. Brandis sprach in das UKW Mikrofon.
    „Paracelsus - Henri Dunant! Over!"
    Die Stimme des Hospitalschiffs erklang im Lautsprecher.
    „Paracelsus. Ich höre. Over!"
    „Wenn ich Sie jetzt überhole, hat das nichts zu bedeuten, verlieren Sie nicht den Kopf! Ich habe nur vor, mein Schiff zu drehen, um mich dann längsseits zu schieben. Wenn mir das gelingt, stellen wir eine Leinenverbindung her. Haben Sie das mitbekommen? Over!"
    „Roger, Henri Dunant. Wir warten darauf, daß Sie längsseits gehen."
    Vor dem Cockpit war ein helles Flimmern zu sehen. Im Nichts schien ein Stern zu brennen. Die Glasflächen des Hospitalschiffs warfen wie ein Spiegel das Licht der Sonne zurück.
    Ich nahm die Kamera zur Hand, und durch die Bewegung löste sich der Ehering von meinem Finger und fiel mir
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