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Weltraumpartisanen 18: Sirius-Patrouille

Weltraumpartisanen 18: Sirius-Patrouille

Titel: Weltraumpartisanen 18: Sirius-Patrouille
Autoren: Mark Brandis
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Tagen hatte er sich unglücklich, an der Seele verwundet und auf eine unnennbare Art beschämt gefühlt. Nun verbrachte er so manche Stunde im RC, mit brennenden Augen, um ja nicht den winzigen Lichtpunkt zu versäumen, hinter dem sich das Gesicht des unbekannten Bruders verbarg. Ein neuer Sinn, kam es ihm vor, hatte von all diesen Geräten Besitz ergriffen.
    Seebeck betrat die Brücke.
    Stille empfing ihn. Die Lautsprecher schwiegen. Commander Brandis hatte die Sessellehne zurückgeschlagen; die Mütze mit dem VEGA-Emblem bedeckte sein Gesicht. Captain Tuomi saß am Steuer. Er hob ein wenig die Hand.
    »Er hat darauf bestanden, mich abzulösen«, sagte er. »Jetzt schläft er. Er hat es nötig.«
    Commander Brandis hatte die Brücke, seitdem er sie in der Frühe des zurückliegenden Tages betreten hatte, nicht wieder verlassen, und Seebeck, der ihn nun beim Schlafen überraschte, begriff auf einmal: weshalb. Einmal war es ihm gelungen, sich von seinem Krankenlager zu erheben und bis hierher zu schleppen; ein zweites Mal, so schien er zu fürchten, würde er dazu nicht in der Lage sein. Haut, Knochen und Willen – mehr hatte er nicht einzusetzen. Der Augenblick, an dem er auf der Brücke benötigt werden würde, mußte kommen, und deswegen rührte er sich nicht von ihr fort.
    Seebeck setzte sich auf einen der Notsitze. Er hatte gedacht, Commander Brandis zu kennen – hinreichend zu kennen, um über ihn eine gültige Aussage machen zu können: Der Mann, der unerschütterlich in sich selbst ruht. Phrasen. Leere Worte. Literarisches Tingeltangel.
    Nun erst, in diesem Moment des Schweigens, nun erst, da der Commander sich auf der Brücke hatte zurückfallen lassen in seine Erschöpfung, auf dem kunstledernen Sitz, in seiner Schwäche dem fernen, flimmernden Gespinst des Andromedanebels, der vor dem Fenster stand, vielleicht näher als allem Irdischen, nun erst lernte Seebeck ihn wirklich kennen. 
    Was ist es, was wir alle an ihm bewundern und verehren? dachte er. Die Härte gehört dazu – aber sie ist es nicht. Die Härte ist immer nur ein Instrument. Man muß sie haben und man muß sich ihrer gelegentlich bedienen wie ein Boxer im Ring, um nicht zu Boden zu gehen, aber der Kampf darf nicht ihr Selbstzweck sein.
    Seebeck entsann sich eines Gesprächs. Eine flüchtige Sekunde lang hatte der Commander die übliche Zurückhaltung fallen lassen und etwas ausgesprochen, was Seebeck, vielleicht weil es so beiläufig klang, erst im nachhinein begriffen hatte: »Es gibt ein Geheimnis, Mr. Seebeck, und Sie als Mann der Feder sollten es eher kennen als ich. Gib der Welt dein Herz, und sie wird dir ihr Herz zurückgeben.«
    Seebeck hatte es damals nicht einleuchten wollen; es war zu simpel. Seebeck blickte auf seine Hände. Millionen Lichtjahre hatten sich auf ihn gelegt, schwerelos und feierlich, ein zärtlicher Tau. Seebeck rührte sich nicht. Zum ersten Mal begann er etwas von der Faszination zu ahnen, die Männer wie Brandis und Stroganow dazu bewog, ihren Lieben daheim immer wieder Lebewohl zu sagen, um ein Leben unter den Sternen zu führen.
    Die Triebwerke sprangen an. Die Invictus setzte an zu einer neuen Spirale. Captain Tuomi drehte sich um.
    »Gelangweilt, Mr. Seebeck?«
    Seebeck schüttelte den Kopf.
    »Nicht gelangweilt, Captain. Eher beeindruckt. Ich beginne, die Schönheit des Raumes zu entdecken.«
    Captain Tuomi warf einen Blick auf den leeren Monitor.
    »Ich fürchte«, sagte er, »die armen gelben Burschen – falls es sie noch gibt – haben jetzt wenig Sinn für die Schönheit. Waren Sie schon einmal in Raumnot?«
    »Nein. Nie. Sie?«
    »Einmal. Es war die Hölle.«
    »Das will ich Ihnen glauben.«
    »Das glaubt keiner, der’s nicht am eigenen Leib erlebt hat, Mr. Seebeck. Man muß wissen, was das heißt: die Luft geht zu Ende, die Batterien gehen zu Ende. Und man spürt, wie die Verlorenheit wächst und wächst. Es gibt Leute, die sind dabei verrückt geworden, obwohl sie’s überlebt haben.«
    Captain Tuomi schauderte vor der Erinnerung. Seebeck starrte auf den Andromedanebel. Eben noch war er der Ansicht gewesen, etwas von all dem zu begreifen – und nun mußte er sich sagen lassen, daß alles anders war. Daß die Schönheit nur die Kehrseite war der Grausamkeit.
    »Damals«, sagte Captain Tuomi, »habe ich gebetet. Ich habe darum gebetet, daß es endlich vorbei sein möge. Ich konnte das alles nicht mehr ertragen. Ich erfror beim Anblick der Leere …«
    Leere.
    Gläserne Leere vor den
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