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Welt der Elben (Band 2: Weltenriss, Götterwille, Herzblut) (German Edition)

Welt der Elben (Band 2: Weltenriss, Götterwille, Herzblut) (German Edition)

Titel: Welt der Elben (Band 2: Weltenriss, Götterwille, Herzblut) (German Edition)
Autoren: Sue Twin
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vielleicht entsprach er am ehestem dem
eines Henkers, der unangebracht Mitleid mit seinem Opfer empfand.
    Sein Sohn jedoch, der außer Atem an einem Felsen harrte,
verfiel in einen Zustand innerer Starre. Ein Gemütszustand, der viele Jahre
anhalten sollte, und es niemandem gestattete, sich ihm zu nähern.
    Erneut schrie der Adler und stürzte sich mit einer Windböe
ins Tal.
    »Schick deine Frau an den Ort ihrer Schandtat zurück!«,
befahl die Priesterin dem Mann. »Bring sie zu den Menschen, damit sie ihre
Strafe antreten kann!«
    Der Angesprochene nickte und krallte die Finger um die
Gitterstäbe des Käfigs. Er vermied es, einen Blick auf die Katze zu werfen. Es
war nicht zu übersehen, dass er am liebsten das Tier, mitsamt Käfig, weit von
sich geschleudert hätte.
    Die Frau aber mit den spitzen Ohren und den roten Haaren,
die während der gesamten Zeremonie stumm im Hintergrund gestanden hatte, hielt
den Kopf gesenkt. Sie ließ das lange Haar vom Wind ins Gesicht wehen, um zu
verbergen, was sie fühlte.
    Es war meine
Schandtat, die zwei Menschen das Leben gekostet hat, dachte sie voller Scham. Ich hätte bestraft werden müssen. Nicht sie.

WELTENRISS

 

 

01 Gastschüler

 
    D rrr-Drrr. Die
Schulglocke bimmelte.
    Heather hatte überhaupt keine Lust auf Schule. Sie war wohl
die einzige Schülerin, die es nach den Sommerferien nicht eilig hatte,
vermutete sie seufzend. Aber was sollte heute auch schon Aufregendes passieren?
    Unter ihren Füßen vibrierte der Boden vom Trampeln der
Schüler. Überall war Stimmengewirr, Lachen und Getuschel. Urlaubserlebnisse
wurden ausgetauscht und kleine Geheimnisse. Heather ließ sich von der
Aufregung, die in der Luft lag, nicht anstecken. Im Gegenteil.
    Niemand rief nach ihr.
    Sie fühlte sich unsichtbar.
    Erst vor wenigen Tagen war sie 16 Jahre alt geworden – und
keiner aus ihrer Klasse hatte sie angerufen. Dabei machte ihr das nicht einmal etwas
aus, denn sie hatte schon immer das Gefühl, eine Fremde unter den Einheimischen
zu sein. Das hatte einen besonderen Grund, wie sie letztes Jahr herausgefunden
hatte: Sie war eine Halbelbin . Ihre
leibliche Mutter lebte in einer fernen Welt namens Aion.
    Was Heather aber im Moment schwer zu schaffen machte, war
die Tatsache, dass ihre Elbenfreunde Zalym und Tessya ihr nicht zum Geburtstag gratuliert
hatten. Und das, obwohl sie noch vor zwei Wochen etwas von einer riesengroßen
Überraschung gemailt hatten.
    Sie vermisste die beiden Elben sehr. Und da war noch jemand,
den sie vermisste und an den sie seit einem Jahr jeden Tag dachte. Natürlich
heimlich. Niemand wusste davon. Selbst nach so langer Zeit bekam sie noch
Herzklopfen, wenn sie nur an seinen Namen dachte.
    Moryn, ob ich dich
wohl jemals wiedersehen werde?
    Sie seufzte bei dem Gedanken und erklomm die letzten Stufen ins
erste Obergeschoss, in dem ihr Klassenraum lag. Mit ihrem Vater konnte sie
nicht über Jungs reden. Und über Fantasy-Gestaltenerst recht nicht.
    Aion , die Heimat
der Elben lag weit weg in einer Parallelwelt, die nur über einen Weg durch geheime Torbäume erreichbar war. Ein Zugang,
der einem Menschen normalerweise verborgen blieb. Heather war mehr oder weniger
zufällig in diese andere Welt geraten, als sie einen solchen Baum berührt
hatte.
    Ein Mitschüler rempelte sie an und riss sie aus den Gedanken.
Er murrte knapp, »Hey, pass doch auf!«, und ging mit langen Schritten an ihr
vorbei.
    Ohne von irgendjemandem beachtet zu werden, steuerte sie zu
einem der letzten freien Stühle und sah sich gelangweilt im Raum um. Alles war
noch so, wie die Schüler es vor sechs Wochen verlassen hatten. Die zerkratzte
Tafel, die Zettel an der Pinnwand und die Kaugummis unter der Tischplatte. Auch
das dumpfe Knallen der Taschen, die mit Schwung auf die Tische geworfen wurden,
und selbst das Tuscheln und Lachen der Mitschüler klang wie immer.
    Heather zog einen Schreibblock und einen Füller aus der
Schultasche. Als sie wieder hochblickte, glaubte sie für einen Moment zu
halluzinieren.
    Aus dem Augenwinkel erkannte sie eine Person, die nicht
hierher gehörte. Sie blinzelte.
    Träume ich?
    Sicher hatte sie sich geirrt. Außerdem sah der Typ ihm nur ähnlich. Die Haarfrisur stimmte ganz eindeutig nicht. Und doch, war
da dieser spöttische Mund, der eigentlich nur einem gehören konnte.
    Augenblicklich war Heather hellwach.
    Verlegen drehte sie den Kopf weg und spürte ihr Herz
schneller klopfen. Doch Ignorieren ging nicht, sie musste einen zweiten Blick
zu der
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