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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten
Autoren: Dan Wells
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ich sie retten konnte, doch sie schleppte sich sofort weiter. Dann hob ich den Blick, erkannte, wohin sie wollte, und schrie auf.
    »Nein!«
    Sie schwankte geradewegs auf das brennende Auto zu.
    »Die einzige … Möglichkeit …« Unvermittelt blieb sie stehen und hielt den Kopf auf eigenartige Weise schief. Ich sprang los und wollte sie zurückziehen, doch sie hob einen steifen Arm und schlug mir genau auf das gebrochene Handgelenk. Ich ging schreiend in die Knie und konnte vor Schmerzen kaum noch etwas sehen.
    Sie lehnte sich erschöpft gegen das Auto und wandte sich zu mir um. »Ich liebe dich, John.« Es klang belegt und heiser – zwei Stimmen sprachen durch einen Mund zu mir. Ich richtete mich auf und wollte sie festhalten, doch sie warf sich herum und versuchte sich durch das geborstene Fenster in die Feuerhölle im Innern des Autos zu zwängen. Sie heulte vor Schmerzen, zuckte zurück und kroch zugleich weiter, und dann war sie durch und fiel vor den Sitzen auf den Wagenboden. Tosend und tanzend griffen die Flammen nach ihr.
    Gelähmt vor Entsetzen stand ich davor und beobachtete wie betäubt, wie sie sich kreischend in den Flammen wand. Schwarze Tentakel zuckten aus ihr hervor, um zu entkommen, vergingen aber sofort in den Flammen und verbrannten unter dem glühend heißen Dach. Sie wand sich und schlug um sich, sie verkohlte und starb. Die Frau und die Dämonin speisten das Feuer, bis es vor Freude sang.
    Ich konnte mich nicht bewegen, konnte nur in das Feuer starren, auf den Fleck inmitten der Glut, wo der Umriss meiner Mom schrumpfte, verblasste und verschwand. Keine Handbreit vermochte ich mich zu rühren, tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf und rangen um meine Aufmerksamkeit, bis sie bedeutungslos wurden wie das Rauschen im Radio, wenn kein Sender eingestellt ist, und mein Kopf sich völlig geleert hatte. Ich war ein Loch in der Welt, eine Leere mit einer Gestalt. Ich war nichts und niemand.
    Brooke regte sich, und nun konnte ich den Kopf auch wieder wenden und sie genauer untersuchen. Ohnmächtig und blutend lag sie auf dem Boden. Ein Bein zuckte und bewegte sich dann noch einmal. Ich bückte mich und fühlte den Atem, auch der Puls schlug noch schwach im unverletzten Handgelenk. Sie lebte. Benommen und überrascht betrachtete ich sie. Abermals zuckten die Beine, und allmählich kam auch mein Verstand wieder in Gang. Als Erstes fiel mir ein, dass es sicher ratsam wäre, sie vom brennenden Auto wegzuziehen. Ich nahm einen Unterarm, legte ihn mir über die Schultern und zog sie fort. Das aufgeschnittene Handgelenk blutete immer noch, aber nicht mehr so schlimm wie zuvor. Ich hätte es gern verbunden, fand aber nichts Geeignetes. Schließlich zog ich mir das Hemd aus, das nach Benzin stank und voller Blut war, und wickelte es fest um den tiefen Schnitt.
    Moms Auto stand nur wenige Schritte entfernt, der Motor lief sogar noch. Sie war anscheinend eilig hergefahren und sofort herausgesprungen, um mir beizustehen. Sie hatte mich gerettet. Ich richtete mich auf, blickte noch einmal zum brennenden Auto, dann wieder zu Brooke hinüber. Mom hatte mich aufhalten wollen, hatte die Dämonin gesehen und mich gerettet. Ich wollte zu meinem alten Auto gehen, dann wieder zu Moms Wagen. Unschlüssig blieb ich stehen. Die Dämonin war tot. Mom war tot.
    Sie hatte mich gerettet.
    Brooke stöhnte. Ich muss einen Krankenwagen rufen. Ich bückte mich und durchsuchte Brookes Jacke, fand ihr Handy und zog es heraus. Als ich 911 wählte, hörte ich schon die Sirenen in der Ferne. So schnell? Ich hatte doch noch gar nicht angerufen. Auf der Straße zuckten die roten und blauen Einsatzleuchten. Feuerwehr, Polizei und Krankenwagen. Officer Jensen rannte auf mich zu, und dann ging ich zu Boden, kniete neben Brooke nieder und presste den verletzten Arm an die Brust. Was war nur mit dem Arm los? Er war bestimmt gebrochen.
    »John, alles in Ordnung?«
    Uniformen umgaben mich – Sanitäter und Polizisten. Irgendwo entdeckte ich ein vertrautes Gesicht und sprach es an.
    »Meine Mom ist tot.«
    »Sie hat uns angerufen«, sagte das Gesicht. Es gehörte Officer Jensen. »Sie sagte, du seist in Schwierigkeiten geraten.«
    »Sie ist tot. Sie war im Auto.«
    »Was ist passiert?«
    »Sie hat die Mädchen getötet«, sagte ich. »Alle diese Selbstmorde, sie hat sie alle umgebracht.«
    »Deine Mutter?«
    »Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Niemand.«
    Das Gesicht entfernte sich, ein anderes tauchte auf, fühlte mir den Puls und
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