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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten
Autoren: Dan Wells
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dem Auto weisen deutlich darauf hin, dass jemand vorsätzlich Feuer gelegt hat. Fällt dir dazu etwas ein?«
    »Um ehrlich zu sein, es war ein sehr hässliches Auto.«
    »Vor einigen Tagen brach jemand in Pfarrer Eriksons Haus und dann auch in das Büro der Kirche ein. Von dort richtete er eine Anrufweiterleitung zu Agent Formans Handy ein.« Sie lächelte freudlos. »Diese Telefonnummer taucht an den merkwürdigsten Stellen auf, findest du nicht auch?«
    »Vielleicht haben Sie es auch nur falsch notiert.« Ich zuckte mit den Achseln. »Machen Sie sich keine Vorwürfe, so was passiert schon mal.«
    Agentin Ostler verstellt mir den Weg und baute sich vor mir auf. »Vielleicht bekomme ich endlich eine vernünftige Antwort. Deine Mutter hat heute Nachmittag angerufen, weil sie mir etwas zeigen wollte. Vielleicht errätst du, worum es sich handelt.«
    Ich atmete gedehnt aus und tat so, als müsse ich nachdenken. »Das Schuhmuseum?«
    »Schwarzen Schleim«, sagte sie. »Sie hatte auch ein paar interessante Theorien dazu. Außerdem hat sie sich große Sorgen gemacht, du könntest Schwierigkeiten bekommen.«
    Ich lächelte matt und deutete auf die Türen der Krankenzimmer. »Gut geraten.«
    Ostler betrachtete mich noch einen Moment lang, dann runzelte sie finster die Stirn. »Du willst immer noch nicht reden. Nun gut. Aber eins verstehe ich nicht.« Sie hielt inne und holte tief Luft. »Wenn meine Theorie sich bestätigt, dann hast du drei der verdammten Dinger erledigt.« Ich hob den Blick, und sie sah mich unverwandt an. »Das ist mehr, als alle meine Leute bisher erreicht haben, und wir jagen sie schon seit Jahren. Wie hast du das geschafft?«
    Ich starrte sie an. Hatte ich mich gerade verhört? Ich wog die Möglichkeiten ab und beschloss, sie ein wenig weiter aus der Reserve zu locken. »Was für Dinger denn?«
    »Das müsstest du mir verraten. Niemand weiß es.«
    Ich lächelte. »Ja, Niemand hat es herausgefunden.« Ich sah mich um, wir waren allein. Ich beugte mich vor. »Alles, was Sie bisher erwähnt haben – das Feuer, die Einbrüche und alles andere –, wird bald in Vergessenheit geraten. Und dann haben Brooke und ich einen Vorschlag für Sie.«
     
    Bleich und reglos lag Marcis Leichnam auf dem Behandlungstisch. Ich zog das obere Ende des Tuchs mit der unverletzten Hand zurück und legte Kopf und Schultern frei. Sie war schön. Ich kratzte mich am Rand des Gipsverbands und starrte in Marcis Gesicht, in ein Gesicht, das ich in der realen Welt und im Traum schon hundertmal oder tausendmal gesehen hatte. Mit einem Finger streichelte ich behutsam ihre Wange. Sie war kalt.
    »Hallo«, sagte ich unsicher. »Ich weiß, dass du nicht mehr da bist. Dies ist nur dein Körper. Ist schon komisch, dass der Einzige, der deinen Körper nicht wollte, ihn jetzt bekommt und alles andere verliert.« Ich legte die Hand auf den Tisch und dachte nach. »Ich will gar nicht witzig sein. Ironisch vielleicht? Du konntest ja viel besser als ich mit Worten umgehen.«
    Ich hob das Tuch an der Seite hoch, legte den Arm frei und streichelte ihre Finger. »Mein Dad hat uns verlassen, als ich sieben war. Er war ein Mistkerl und hat Mom, Lauren und mich geschlagen, und wir haben ihn gehasst, aber … wir haben ihn auch geliebt, verstehst du? So ist das eben. Er ist mein Dad. Da kann man wohl nichts machen. Als er wegging, brach er mir das Herz. So endgültig, dass ich keins mehr zu haben glaubte.« Ich hielt die Finger fest und betrachtete das leblose Gesicht. »Ich habe es bisher noch niemandem erzählt, Mom nicht und nicht einmal Dr. Neblin. Genau genommen habe ich es auch jetzt niemandem erzählt, weil du ja eigentlich gar nicht da bist, aber … es tut gut, es auszusprechen.«
    Ich betrachtete ihre Hand, die Knöchel und Vertiefungen dazwischen, und rieb sie. »Jetzt ist auch meine Mom fort, und es mag völlig verrückt klingen, aber … das ist das Schlimmste, was mir je passiert ist, und zugleich das Beste. Sie ist gestorben, und es hat mir noch einmal das Herz gebrochen, und das bedeutet …« Ich betrachtete wieder das Gesicht, dann die Decke und den Ventilator, der sich langsam hinter dem Metallgitter drehte. »Ich glaube, das bedeutet, dass ich ein Herz habe.« Ich schniefte, halb lachend, halb weinend. »Wer hätte das gedacht?«
    Kalte, feuchte Tränen liefen mir über die Wangen. Ich wischte sie ab und zog das Laken wieder über Marcis Arm. »Weißt du, mir fällt so was immer schwer. Ich bin immer noch ziemlich daneben.
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