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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum
Autoren: Virginia Kantra
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hügelabwärts, an der
Sea
-
View
-Pension und Wiley’s Market vorbei. Das Barlow-Haus hatte man nun in eine Kunstgalerie verwandelt, und das alte Thompson-Cottage war zum Fremdenverkehrszentrum herausgeputzt worden. Aber die schmalen Straßen und kleinen Gärten hatten sich in den letzten fünfzehn Jahren nicht verändert. In den letzten fünfzig Jahren.
    Das war es, was er brauchte, sagte er sich. Das Gefühl von Gemeinschaft, Stabilität. Hier konnte er die Puzzleteile eines normalen Lebens zusammensuchen, um wieder ganz zu werden.
    Aber heute fand er die behaglichen, spießigen Häuser und den stillen Hafen genauso hübsch und geistlos wie die Postkarten in den Andenkenläden. Unzufriedenheit lastete schwer und tödlich auf seiner Brust wie Dynamit, das gleich explodieren würde. Einen Augenblick lang konnte er nicht atmen.
    Er zwang sich, weiter den unebenen Bürgersteig entlangzugehen, während sein Blick zwischen den Gebäuden hin und her huschte. Als würden jeden Moment Rebellen hinter dem Lighthouse Gift Shop hervorbrechen und das Feuer eröffnen.
    Caleb ging weiter.
Positive Bewältigungsstrategien
hatte ihm der Seelenklempner geraten. Training. Arbeit. Positives Denken.
    Sex.
    Was ihn wieder zu der Frau vom Strand brachte, ihren großen, dunklen Augen, ihrem breiten, üppigen Mund. Ihren Brüsten.
    Intime Beziehungen fördern die Entspannung und geben Ihnen praktischen und emotionalen Rückhalt,
hatte der Militärarzt gesagt.
    Okay, Ausschau nach einer ausländischen Touristin zu halten, die auf Uniformen stand, war wahrscheinlich nicht das, was der Seelenklempner gemeint hatte, aber man musste ja schließlich irgendwo anfangen. Wenigstens hatte sich Caleb bei seiner Begegnung mit ihr nicht an Mosul erinnert. Zum Henker, er hatte sich kaum an seinen eigenen Namen erinnert. Und es hatte einen Sekundenbruchteil gegeben, beim Blick in diese unergründlichen Augen, da hatte er … mehr als Verlangen gespürt.
    Eine Verbindung.
    Die hell erleuchteten Fenster und die rote Markise von
Antonias Ristorante
(»Pizza! Backwaren! Sandwiches!«, verkündete das Schild) grüßten freundlich auf den Gehsteig. Die Glocke läutete, als Caleb die Tür aufdrückte.
    Regina Barone stand in einer weiten, weißen Schürze und mit verwirrtem Stirnrunzeln hinter dem Tresen. Ihr Haar war aus dem schmalen Gesicht zurückgestrichen.
    Als die Glocke ertönte, sah sie auf, und ihre Stirn glättete sich. »Hi, Cal.«
    Er lächelte. »Reggie.«
    Sie kannten sich schon seit ewigen Zeiten. Er erinnerte sich an sie als spindeldürres, herbes, ehrgeiziges Mädchen, das unbedingt die Insel und das strenge Regiment ihrer Mutter hinter sich lassen wollte. Ihm war zu Ohren gekommen, dass sie es in einem In-Restaurant in New York oder Boston zum Souschef gebracht hatte. Jetzt hatte sie eine Tätowierung auf dem Handgelenk und trug ein kleines goldenes Kruzifix am Hals.
    Aber nun war sie wieder zurück auf World’s End und arbeitete im Familienbetrieb. Nun waren sie beide wieder zurück.
    Warum wollte er keinen Sex mit ihr?
    Reginas achtjähriger Sohn Nick saß in einer der roten Vinylboxen und kritzelte etwas.
    »Was machen die Hausaufgaben?«, fragte Caleb.
    Nick zuckte mit den Schultern. Er war ein hübscher Bursche, der von seiner Mutter die schmale Statur und die ausdrucksvollen italienischen Augen geerbt hatte.
    »Bruchrechnen«, erklärte Regina. »Er hasst es.«
    Nick schob das Kinn vor. »Ich verstehe bloß nicht, wozu ich das brauche, das ist alles. Nicht, wenn ich Nonna im Restaurant helfen soll.«
    Regina presste die Lippen zusammen.
    »Du musst Bruchrechnen können«, erwiderte Caleb. »Wie sonst sollst du eine Pizza halb mit Pilzen, halb mit Peperoni belegen können?«
    Regina warf ihm einen dankbaren Blick zu. »Das stimmt«, sagte sie zu Nick. »Wenn du in der Küche arbeitest, brauchst du das Bruchrechnen. Eine halbe Tasse. Drei Viertel eines Teelöffels.«
    »Kann schon sein«, gab Nick zurück. Er beugte sich wieder über seine Hausaufgaben.
    Regina lächelte Caleb an. »Was kann ich für dich tun?«
    Er hörte eine Einladung aus ihren Worten heraus, vorsichtig, aber doch unverkennbar. Sie war eine gute Frau, hatte einen tollen Jungen und schleppte gerade genug mit sich herum, dass es seine eigene Last aufgewogen hätte. Er versuchte, etwas zu spüren, einen Funken, Anziehungskraft, und fühlte … Betäubung.
    »Was gibt es heute?«, fragte er.
    »Außer Pizza?« Schulterzuckend wischte sich Regina die Hände an der
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