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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum
Autoren: Virginia Kantra
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einer Felsnase an Land, die wie ein Menhir von Orkney vom Strand emporragte.
    Wasser plätscherte an Sand und Steine. Die Abendbrise streichelte ihre feuchte Haut und erweckte jeden Nerv zu bebendem Leben. Ihre Sinne nahmen, zum Zerreißen gespannt, die Schwaden von Rauch auf, das Poltern von männlichem Lachen, das der Wind herantrug. Ihre Brustwarzen wurden hart.
    Sie erschauerte.
    Nicht vor Kälte. Vor Erwartung.
    Sie kämmte ihr Haar mit den Fingern und ließ es auf die nackten Schultern fallen. Das Wichtigste zuerst. Sie brauchte etwas zum Anziehen.
    Selbst in diesem Körper hielt sie ihr Blut warm. Aber sie wusste von früheren Begegnungen, dass man mit ihrer Nacktheit nicht … rechnen würde. Sie wollte keine Fragen aufwerfen oder Zeit und Energie auf Erklärungen verschwenden.
    Sie war nicht an Land gekommen, um zu reden.
    Verlangen wuchs wie ein Kind in ihr und machte ihre Brüste und Lenden schwer.
    Sie setzte ihren Weg auf zarten, ungeschützten Füßen um den Fels herum fort. Lag da nicht, wie Seegras oberhalb der Gezeitenlinie verknäult, eine Decke? Sie schüttelte den Sand ab – nein, es war ein Handtuch – und schlang es sich um die Hüften. Sie freute sich an seinem kräftigen Orange. Ein paar Schritte weiter, im Schatten außerhalb des Feuerscheins, entdeckte sie ein graues Fleece-Oberteil mit langen Ärmeln und einer Art Kapuze. Trist. Sehr trist. Aber es würde ihr helfen, sich zu verhüllen. Sie zog sich den Pullover über den Kopf, wühlte sich durch die Ärmel und lächelte schicksalsergeben, als die Bündchen über ihre Hände strichen.
    Das ungewohnte Reiben des Stoffs erhitzte und erregte sie. Mit raschem, heißem Pulsschlag glitt sie durch das Halbdunkel. Noch immer im Schatten, ließ sie den geweiteten Blick über die Gruppe von sechs –
sieben, acht
 – Gestalten schweifen, die im Lichtkreis des Feuers hingestreckt lagen oder standen. Zwei Frauen. Sechs Männer. Sie fasste sie gierig ins Auge.
    Sie waren sehr jung.
    Sexuell voll entwickelt, vielleicht, aber ihre Gesichter waren weich und formlos und ihre Augen ohne Tiefe. Die Mädchen waren schrill. Die Jungen laut. Grob und unsicher schubsten und stießen sie einander und machten mit weit ausholenden, unkoordinierten Gesten ihre Ansprüche geltend.
    Enttäuschung breitete sich in ihr aus.
    »Hey! Pass doch auf!«
    Etwas ergoss sich auf den Sand. Ihre empfindliche Nase nahm den Geruch von Alkohol wahr.
    Nicht nur jung, sondern auch noch betrunken. Vielleicht erklärte das ihre Tolpatschigkeit.
    Sie seufzte. Sie machte keine Jagd auf Betrunkene. Oder auf Kinder.
    Licht bohrte sich in ihre Pupillen, zwei weiße Strahlen und blinkendes Blaulicht von der Anhöhe über dem Strand. Einen Moment lang blinzelte sie verwirrt.
    Ein Mädchen kreischte.
    Ein Junge stöhnte.
    »Weg hier«, rief jemand.
    Sand spritzte auf, als die Menschen davonflitzten wie Fische vor einem Hai. Sie rannten in die Falle zwischen Fels und Wasser, das Licht in ihrem Gesicht und die See in ihrem Rücken. Sie folgte ihren panischen Blicken, die zu den Bäumen wanderten.
    Vor den weißen Scheinwerferkegeln und den dunklen, schmalen Baumstämmen hob sich die Silhouette einer großen, breiten Gestalt ab.
    Das Blut rauschte wie der Ozean in ihren Ohren. Ihr Herz hämmerte. Selbst wenn man die Verfälschung durch das Licht berücksichtigte, sah er imposant aus. Stark. Männlich. Seine albern wirkende einengende Kleidung betonte nur noch die Breite und Kraft von Brust und Schultern, die stämmigen Muskeln seiner Beine und Arme.
    Er bewegte sich ungelenk zum Strand hinab. Sein Gesicht lag im Schatten. Als er sich dem Feuer näherte, huschte dessen roter Schein gierig über seine breite, hohe Stirn und die schmale Nase. Sein Mund war hart und lächelte nicht.
    Ihr Blick weitete sich, um ihn ganz in sich aufzunehmen. Ihr Pulsschlag schnellte erneut nach oben. Sie spürte das Zittern bis hinab in ihre Fußsohlen und Fingerspitzen.
    Das
war ein Mann.
     
    Kindsköpfe.
    Caleb schüttelte den Kopf und holte seinen Strafzettelblock heraus.
    Als er noch in der Highschool war, hatte man das Bier in den Sand geschüttet und vielleicht noch eine Standpauke von seinen Eltern bekommen, wenn man am Strand beim Trinken erwischt worden war. Nicht, dass es seinen alten Herrn je gekümmert hätte, was Caleb tat. Nachdem sich Calebs Mutter mit ihrem älteren Sohn aus dem Staub gemacht hatte, war Bart Hunter alles außer seinem Boot, seiner Flasche und den Gezeiten egal gewesen.
    Aber die
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