Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)

Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
Autoren: Nicole Alexander
Vom Netzwerk:
fiel auf, dass die dunkelblauen Augen ihres Vaters nicht strahlten.
    » Oder als Gelegenheitsarbeiter«, fuhr Ronald fort. » Es sei denn, dieses Mal ist es anders. Aber ich sehe eigentlich nicht, dass er bleibt.«
    » Na ja, vielleicht findet Großvater einfach, dass in Wangallon jüngere Arbeiter gebraucht werden«, fügte Cameron hinzu. Er hoffte darauf, dass der neue Cowboy ein guter Typ war, dem es auch nichts ausmachte, mit Sarah zusammenzuarbeiten. Wenn seine sechzehnjährige Schwester etwas tun wollte, konnte nichts und niemand sie davon abhalten.
    Ronald legte seiner Stute die Satteldecke auf und schürzte nachdenklich die Lippen. » Wir werden bald wissen, wie er so ist, Sohn.« Er ergriff den Sattel.
    » Hey, Dad, kriege ich zum Geburtstag einen Fotoapparat?«
    Ronald zog den Sattelgurt fest. Was wollte das Mädchen mit einem Fotoapparat? Aber eine neue Kamera konnte nichts schaden. Die letzte war ihm auf der Rinderweide heruntergefallen und kaputtgegangen, als er die Bullen fotografiert hatte. » Wenn du dir einen wünschst.«
    Eigentlich hätte sie lieber eine Ray-Ban-Sonnenbrille, violette Steghosen und eisblauen Lidschatten gehabt. Aber eine Kamera wäre auch nicht übel. » Danke, Dad.«

Herbst, 1854
    Die schottischen Highlands
    Hamish Gordon musterte die Gestalt, die auf dem dünnen Strohlager lag. Ein beißender Geruch stieg von der schweißgetränkten Bettstatt auf. Seit Tagen hatte seine geliebte Mary jetzt schon bewegungslos dagelegen, nichts gegessen, nicht gesprochen. Sie schien den Lichtstrahl zu fixieren, der durch das Strohdach der kleinen Hütte fiel. Er kniete sich neben sie und goss Wasser aus einem Lederbeutel über ihre aufgesprungenen Lippen. Die kühle Flüssigkeit tröpfelte über ihr Kinn. Das Fieber war endlich gebrochen– sie würde überleben.
    Ein kühler Windstoß brachte Kräutergeruch mit sich, den Duft der letzten Herbstpflanzen vor dem Winter. In der Vergangenheit hatte er sich über solche Gerüche immer gefreut, aber jetzt erinnerten sie ihn nur an die trüben Tage, die vor ihm lagen. Mit einem letzten Blick auf die junge Frau, von der er einmal gehofft hatte, sie würde seine Braut werden, verließ Hamish die Hütte. Er ging hinunter zum See, durch das wogende grüne Gras und das rote Heidekraut, und die Sohlen seiner Lederstiefel berührten die Scholle, die sich von seiner Familie so leicht bearbeiten ließ.
    Am Ufer des Lochs zog er Hemd und Kilt aus und watete bis zur Taille in das eiskalte Wasser. Er bespritzte sich mit der kalten Flüssigkeit, als ob er sich dadurch von Marys Verrat reinigen könne. Aber er wusste, dass er an diesem Ort, an dem er in den letzten siebzehn Jahren zu Hause gewesen war, nicht mehr bleiben konnte. Früher einmal hätte er es ertragen können, auch wenn kürzlich erst seine Mutter gestorben war. Aber jetzt brannte der schreckliche Schmerz von Marys Taten in seiner Brust, und er wusste, er würde nicht nachlassen, wenn er hierbliebe.
    Mary of Clanranald war ihm erst vor zwei Monaten noch wie ein Sonnenstrahl im tiefsten Nebel erschienen. Ihre Stimme erinnerte Hamish an das Plätschern eines lieblichen Bachs, und sie war eine Frau, die jeder bewunderte; hübsch, stark und anspruchslos. Hamish hatte noch nie etwas so Wundervolles gesehen. Ihre feuerrot glänzenden Haare, ihre vollen rosigen Lippen, ihre kräftigen Finger, die sich mit seinen verschlangen.
    Hamish wischte sich die Tränen aus den Augen. Er wäre für sie gestorben. In der Hütte schlang er sich den Wasserbeutel und eine Decke über die Schulter seiner dicken, wollenen Tunika, dann steckte er sein Messer in seinen Kilt und nahm eine kleine Portion trockenes Hafermehl aus ihren kostbaren Vorräten. Heute Morgen stieg dichter Nebel vom Loch auf, und er wollte schon über den Hügel sein, bevor er ihre strohgedeckte Hütte erreichte. Draußen trat ihm sein Vater in den Weg.
    » Du bist jetzt also für mich verloren, Junge.«
    Hamish richtete die Ledergurte über seiner breiten Brust und musterte den Mann mit den dunkelblauen Augen, der nun durch sein Verhalten keine Ähnlichkeit mehr mit dem Vater seiner Kindheit aufwies.
    » Vergisst du nicht die Toten? Was ist mit deinen kleinen Schwestern?«, drängte sein Vater.
    » Sie sind gegangen, Vater, und kommen nicht zurück«, antwortete Hamish barsch. Er drängte sich an ihm vorbei, um die Hütte, in der er geboren worden war, zum letzten Mal zu verlassen.
    » Und was erwartest du? Dass deine Ma und deine kleinen Schwestern nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher