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Weit weg ... nach Hause

Titel: Weit weg ... nach Hause
Autoren: dtv
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Berit und Angela in den Heften blättern. Alle scheinen ihre Lösungen zu suchen. Alle haben die Aufgabe gemacht. Das
     kann doch nicht wahr sein. Sie hatte sich die Aufgaben säuberlich in ihr Buch geschrieben. Und zu Hause hat sie alles erledigt.
     Ganz sicher! Katja hat ihr sogar ausnahmsweise mal geholfen. Wieso Nummer 10?
    »Nein! Bitte, bitte, lieber Gott!«, flüstert sie verzweifelt, die Hände gefaltet, als könne ein Gebet ihr helfen. »Bitte nicht
     ich! Nicht mich drannehmen. Bitte! Bitte!«
    »Was redest du da, Luisa?«, fragt Berit irritiert und schaut Luisa verständnislos an.
    In diesem Moment schellt es zur Pause. Luisa stöhnt auf, aber das geht zum Glück im Lärm unter.
    Berit schüttelt den Kopf: »Du bist schon so ’n bisschen plemplem, oder?«, bemerkt sie ganz ernst. »Aber irgendwie auch witzig.
     Das mit dem Piercing war super!«
    Luisa schaut angestrengt zu ihrer Banknachbarin:»Ich bin so viel plemplem wie du einen Pickel auf der Nase hast. Die Frage ist, was mehr auffällt.«
    Berit befühlt ihre Nase, dann lacht sie: »Nicht schlecht, Lu! Einen Moment lang dachte ich, du meinst es ernst.«
    »Du musst eben besser zuhören!«, lächelt Luisa spitzfindig.
    Sie bückt sich und beginnt in ihrem Rucksack zu kramen. Vorne, hinten, oben, unten, an den Seiten. Schließlich liegen alle
     Hefte, Bücher, Lineale, Stifte auf der Schulbank.
    Luisa nimmt den Rucksack auf den Schoß, zieht eine Banane aus dem Seitenfach und lehnt sich erleichtert zurück:
    »Blöde Banane! Ich dachte schon, ich hätte dich vergessen.«

Überall Wörter
    Es schneit dicke, weiche Flocken. Eine Schneeschicht liegt bereits wie ein Gazevorhang auf dem kleinen Vordach über der Tür
     des italienischen Gemüseladens. Herr Borga zieht verfroren den Kragen seiner Weste höher und steckt die Hände tief in die
     Hosentaschen. Er hat nur noch wenige Lebensmittel vor seinem Laden aufgebaut. Bei den Temperaturen könnte er nach kurzer Zeit
     Tomaten und Zucchini als Tiefkühlkost verkaufen.
    Luisa sitzt in ihrem Zimmer auf der Fensterbank, sie mag den Februar! Sie beobachtet das Schneegewirbel und das Treiben auf
     der Straße. Die Menschen haben die Mützen ins Gesicht gezogen, die Hände in dicken Handschuhen vergraben. Die meisten Omas
     sind mit Knirpsen unterwegs. Also nicht mit ihren Enkeln, sondern mit kleinenSchirmen. Schließlich wollen sie ihre Frisuren nicht ruinieren. Einige tragen sogar durchsichtige Plastikhäubchen, die aussehen
     wie Duschhauben.
    Der Verkehr, die Bewegungen der Menschen, alles, das ganze Leben ist radikal verlangsamt. So müsste es immer sein, denkt Luisa.
     Alle Geräusche klingen gedämpft, hohl und leise wie die Musik im Kassettenrekorder, wenn die Batterien sich zu Ende neigen.
    »Leise rieselt der Schnee, still und starr ruht der See«, summt Luisa die Melodie eines ihrer Kinder-Lieblingslieder, während
     sie den schrittfahrenden Autos beim Vorwärtsrutschen zusieht. Nur die Scheibenwischer der Wagen schlagen hektisch hin und
     her und werfen die Flocken auf die Straße, wo sie sofort zu Matsch werden.
    Carlo reißt die Tür auf, und Luisa fällt vor Schreck fast von der Fensterbank.
    »Mama hat angerufen, sie kommt später. Das Casting hat sich verzögert.«
    »Kannst du nicht anklopfen?«
    »Stell dich doch nicht so an! Du bist doch alleine«, erwidert Carlo.
    »Das ist doch egal, ob ich allein bin oder nicht. Ich will nicht, dass du wie ein Dinosaurier in mein Zimmer trampelst.«
    »Solltest du dich nicht lieber um wichtigere Sachen kümmern, statt aus dem Fenster zu glotzen? Mama hat gesagt, du musst die
     Mathearbeit morgen drei schreiben, sonst bleibst du kleben!«
    »Na und?«, schreit Luisa unvermittelt los. »Das geht dich einen verdammten Scheißdreck an. Das ist meine Sache. Und ich bleib
     auch nicht sitzen. Ich schaff das. Schließlich habe ich alles geübt.«
    Eine heiße Zornwelle läuft durch ihren Körper. Ihr ganzes Blut sammelt sich wie immer in ihren Ohren, die feuerrot zwischen
     den ohnehin roten Haaren hervorleuchten.
    Carlo guckt seine Schwester an und beginnt zu lachen: »Reg dich doch nicht auf, Rotohr! Ich dachte, Üben bringt bei dir nichts!
     Kann halt nicht jeder ein Mathegenie sein wie ich.«
    »Du dämlicher Angeber!«, sagt Luisa und springt von der Fensterbank: »Mach die Tür von außen zu!«, schreit sie und trommelt
     wutentbrannt mit den Fäusten gegen seine Brust.
    Carlo, einige Zentimeter größer als Luisa, hält schützend die Arme über seinen
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