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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold
Autoren: Giles Milton
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Gewicht.«
    Adams beendete seinen Brief mit einer verzweifelten Bitte um Hilfe. »Ich flehe Sie auf meinen gebundenen Knien und mit einem Seufzer aus der Tiefe meines Herzens demütig an, Erbarmen mit mir zu haben und ein Mittel zu suchen, um mich aus meiner schrecklichen Lage und der elenden Sklaverei zu befreien.«
    Die Eltern des Mannes müssen schockiert gewesen sein, als sie das lasen, aber ihre Bitten um Hilfe stießen bei der Obrigkeit auf taube Ohren. Die Lords im Kronrat legten eine herzlose Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der versklavten Seeleute an den Tag, und die Kirchenführer konnten wenig mehr tun, als Geld für die Familien der Verschleppten zu sammeln. Dann taten sich die »Sklavenwitwen« zusammen und schritten zur Tat: Sie setzten eine Petition an den Kronrat auf, die von den »leidenden Frauen von nahezu 2000 armen Seemännern« unterzeichnet wurde. In der Bittschrift wurden die Lords daran erinnert, dass sich die verschleppten Ehemänner der Unterzeichnerinnen »seit langer Zeit in der schrecklichsten, elendsten und beklagenswertesten Gefangenschaft und Sklaverei in Sally« befänden. Und der Kronrat wurde darauf hingewiesen, dass die Gefangenen »von ihren erbarmungslosen und grausamen Herren unaussprechlichen Qualen und einem Mangel an Nahrung« ausgesetzt würden. Die Abwesenheit der Männer sei nicht nur eine Quelle der Trauer, sondern gefährde auch das Überleben ihrer Familien. Viele der Frauen hätten »arme Kinder und Kleinkinder«, die »nahe daran sind, durch den Mangel zugrunde zu gehen und zu verhungern«.
    Dieser sehr emotionale Hilferuf war unüberhörbar. »Wir flehen Ihre Hoheiten demütig an, um unseres Herren Jesus Christus willen … einen Boten zum König von Marokko zu senden … um die armen, leidenden Gefangenen freizukaufen.«
    Was diese Frauen nicht wussten war, dass König Karl I. das Problem der nach Nordafrika verschleppten Engländer bereits in Angriff genommen hatte. Wenige Monate nach seiner Thronbesteigung im Jahr 1625 schickte er den jungen Abenteurer John Harrison mit einem Geheimauftrag in das berüchtigte Korsarennest Salé.
    Harrisons Mission war extrem gefährlich. Er musste bis nach Marokko gelangen, ohne in die Hände der Korsaren zu fallen, und anschließend unerkannt nach Salé reisen, wo er Kontakt zum Diwan aufnehmen sollte. Er erhielt umfassende Vollmacht, über die Freilassung aller englischen Sklaven in der Stadt zu verhandeln. Diese Befugnis hatte im inneren Beraterkreis des Königs für heftige Auseinandersetzungen gesorgt. Sir Henry Marten, ein prominenter Rechtsanwalt und Parlamentsmitglied für Cornwall, war entsetzt über die Vorstellung, Gespräche mit den Korsaren aufzunehmen, die er »als Gesellschaft von Piraten« bezeichnete, mit denen es »keine Verhandlungen und keinen Bund« geben könne. Er war der Meinung, Harrison dürfe nur mit dem marokkanischen Sultan verhandeln, obwohl dieser praktisch keinen Einfluss auf die Korsaren von Salé hatte. König Karl nahm eine eher pragmatische Haltung ein. Zwar verfasste er ein langes Schreiben an den »edlen und mächtigen« Sultan Mulai Sidan, aber er war der Meinung, Harrison werde eher Erfolg haben, wenn er direkt mit den Korsaren verhandelte, die die englischen Küstenorte terrorisierten.
    Im Sommer 1625 ging Harrison heimlich in Tetuan an Land und machte sich als maurischer Bußgänger verkleidet auf den Weg nach Salé. Weniger tapfere Männer hätten ein derart gewagtes Unterfangen abgelehnt, aber Harrison war in seinem Element. Er freute sich darauf, sich in eine der gefährlichsten Städte auf der Erde einzuschleichen. Doch die Reise durch das Land, die er »zum größten Teil wie ein Pilger zu Fuß und mit unbedeckten Beinen« zurücklegen musste, forderte ihn bis an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit. Es war fast unerträglich heiß, und Harrison litt unter der staubigen Luft und unter dem ständigen Mangel an Wasser. Später berichtete er von einer »verzweifelten Reise«,obwohl er gestand, er habe bei seiner heimlichen Mission einen widersinnigen Nervenkitzel empfunden.
    Man hätte es Harrison verzeihen können, hätte ihn beim Anblick der mächtigen Stadtmauern von Salé der Mut verlassen. Die bronzenen Kanonen deuteten an, welche Gefahr hinter diesen Mauern lauerte. Harrisons Auftrag lautete, in das Allerheiligste dieses von der ganzen Christenheit verabscheuten Piratennests vorzudringen. Der spirituelle Führer der Korsaren war Sidi Mohammed el-Ajjachi, ein
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