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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold
Autoren: Giles Milton
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überbrachte Nachricht, dass in den stürmischen Gewässern vor der Nordküste von Cornwall eine zweite Flotte von maghrebinischen Korsarenschiffen gesichtet worden war. Den Besatzungen dieser Schiffe war ein spektakulärer und erschreckender Coup gelungen: Sie hatten Lundy Island vor der Küste von Bristol eingenommen und dort die Fahne desIslam gehisst. Auf der Insel verfügten sie nun über einen befestigten Stützpunkt, von dem aus sie zu ihren Raubzügen in die wehrlosen Dörfer im Norden von Cornwall aufbrachen. Sie hatten zahlreiche Menschen bei Padstow in ihre Gewalt gebracht und drohten die Ortschaft Ilfracombe zu plündern und niederzubrennen.
    Die Attacken aus zwei Richtungen trafen die südenglischen Grafschaften des West Country vollkommen unvorbereitet. Der Herzog von Buckingham entsandte den auf See erfahrenen Kämpfer Francis Stuart mit dem Auftrag nach Devon, diesen gefährlichen neuen Feind aufzuspüren und zu vernichten. Doch Stuart musste zu seinem Entsetzen feststellen, dass die Korsaren »bessere Segler als die Engländer« waren. In dem Schreiben an den Herzog, in dem er seine Niederlage eingestand, äußerte er auch die Befürchtung, das Schlimmste stehe noch bevor: »Ich meine, dass es diese Piraten weiter zu unseren Küsten ziehen wird, und der Staat wird es als gleichermaßen belastend und schwierig empfinden, sich ihrer zu entledigen.« An der langen Küste gab es kaum Befestigungsanlagen, die die Korsaren aus Nordafrika hätten abschrecken können. Diese stellten fest, dass sie die Küstenorte ungestraft plündern konnten. Jeden Tag wurde ein anderes unbewaffnetes Fischerdorf heimgesucht. Die Bewohner wurden verschleppt, die Häuser in Brand gesetzt. Am Ende des fürchterlichen Sommers des Jahres 1625 stellte der Bürgermeister von Plymouth fest, dass 1000 Fischerboote verloren gegangen und eine ähnlich große Zahl von Menschen in die Sklaverei geführt worden waren.

    Der Bestimmungsort der unglücklichen Gefangenen war Salé an der stürmischen marokkanischen Atlantikküste. Der Hafen nahm eine beherrschende Position an der Mündung des Bou-Regreg ein. Die massiven Stadtmauern von Salé, die Türme der Befestigungsanlagen und die im nordafrikanischen Sonnenlicht schimmernden grünen Minarette waren für die ankommenden Seefahrer schon aus der Ferne zu sehen.
    Wenige Jahrzehnte zuvor war die Festung von Salé für die Besatzungen englischer Handelsschiffe noch ein erfreulicher Anblick gewesen. Die Kaufleute aus dem elisabethanischen England hatten dort Silber und Wolle gegen exotische Waren aus den dampfenden Tropen getauscht, die von Karawanen durch die Wüste herbeigeschafft worden waren. Nachdem die Händler bis zum Überdruss gefeilscht und ihre Waren angepriesenhatten, beluden sie ihre Schiffe mit Elfenbein und Fellen, Wachs, Zucker und Bernstein – und natürlich mit dem duftenden Meknes-Honig, der in ganz Europa berühmt war.
    Auf der Südseite des breiten Flussdeltas, genau gegenüber von Salé, lag die uralte Stadt Rabat. Auch sie war einst eine »großartige und berühmte Stadt« gewesen, mit herrlichen Palästen und einer außergewöhnlichen Moschee aus dem 12. Jahrhundert. Doch Rabat war Opfer eines stetigen Niedergangs geworden und hatte seinen einstigen Glanz eingebüßt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war die Einwohnerzahl deutlich zurückgegangen, und die meisten Häuser standen leer. »Es befand sich in einem desolaten Zustand«, schrieb ein anonymer englischer Besucher, »denn die Araber hatten es wegen der wilden Tiere verlassen.«
    Rabat wäre vollkommen verfallen, wäre der Stadt nicht ein außergewöhnlicher Umstand zugute gekommen. Im Jahr 1610 verwies der spanische König Philipp III. die gesamte maurische Bevölkerung – eine Million Menschen – des Landes. Dies war das letzte Kapitel der Rückeroberung des südlichen Spanien von den Ungläubigen. Obwohl die Morisken
( moriscos )
, wie die Mauren seit der Reconquista in Spanien genannt wurden, seit vielen Generationen in dem Land lebten und vielfach aus Mischehen stammten, verweigerte man ihnen das Recht, die Ausweisung anzufechten.
    Zu den geschäftstüchtigsten Aussiedlern zählten die Hornacheros, die nach ihrem andalusischen Heimatort benannt waren. Die von einem unbändigen Freiheitsdrang beseelten Hornacheros verwandelten sich rasch in skrupellose Plünderer. Ein Engländer bezeichnete sie später als Volk, das »allen Nationen übel gesinnt ist«, und auch die übrigen Morisken sahen in ihnen nur Diebe
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