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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten
Autoren: Deon Meyer
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einen
     Mann hinter einem Bedienpult. Er war kräftig und stark und hatte einen buschigen Schnauzbart, die Haare hingen über seine
     Ohren, und die Schläfen waren ergraut. Sie zielte mit dem Colt auf ihn und sagte: »Wer sind Sie?«
    »Loock.« Er betrachtete sie von oben bis unten und sagte: »Sie sind Louw.«
    »Nur wenn ich nicht high bin.«
    Er hatte keinen Humor. »Was wollen Sie?«
    »Drehen Sie die Lautstärke ein wenig höher, sodass wir hören können, was die Männer da sagen.« Sie deutete auf seine Bildschirme,
     die allesamt Wernich und mich in seinem Büro zeigten.
    Sie lauschten unserem Gespräch und sahen im Dämmerlicht stumm zu, bis ich ging. »Ich will eine Kopie davon«, sagte Jeanette.
    Loock hatte nur abschätzig gegrunzt. Sie schoss ein Loch in den ersten Monitor.
    »Ich habe nichts gehört«, sagte ich.
    »Der Raum ist schalldicht. Na ja, jetzt nicht mehr. Ich musste auch in die Decke ballern, bevor er mir die DVD brannte.«
    Jeanette hatte drei Bildschirme zerstört und ein Loch in die Decke geschossen, bis er ihr in aller Seelenruhe eine Kopie der
     Aufnahme auf eine DVD brannte. Dann schlug sie ihm mit dem Colt, so fest sie konnte, gegen den Wangenknochen. Sein Kopf zuckte
     zurück, und Blut lief über seinen Schnauzbart.
    »Er hob den Kopf und sah mich an wie eine Python einen kleinen Hasen. Da bin ich gegangen.«
    |414| »Danke, Jeanette.«
    »Nein, Lemmer, ich bin diejenige, die sich bedanken sollte«, sagte sie und lächelte zufrieden.
    Ich rief B. J. Fikter an. Er sagte, Jacobus le Roux werde in zwei Stunden mit Emma reden. Der Polizist sei bereits abgezogen
     worden.
    »Ich komme dich morgen ablösen«, sagte ich.
    »Gott sei Dank«, sagte er und beendete den Anruf.
    »Was jetzt?«, fragte Jeanette.
    »Jetzt bringen wir deine reizende Empfangsdame, Jolene Freylinck, dazu, uns eine Kopie dieser DVD zu machen.«
    »Nur eine?«
    »Mehr brauchen wir nicht.«
    »Lemmer, da bin ich anderer Meinung. Wir sollten jedem neuen Mitglied seines angeblich politisch so korrekten Vorstands eine
     Kopie geben.«
    »Warum? Damit sie ihn feuern können?«
    »Das wäre ein Anfang.«
    »Aber kein gutes Ende.«
    »Ich nehme an, du hast eine bessere Idee?«
    »Habe ich. Aber sie kostet dich ein Flugticket.«
    »Nach Nelspruit?«
    »Nein. Ein bisschen weiter«, sagte ich.
    »Was ist das für ein Plan?«
    »Ich glaube, es ist besser, wenn du das nicht weißt.«
    Jeanette dachte darüber nach, und ich nehme an, sie stimmte mir zu, aber sie war nicht glücklich darüber. Sie knallte einen
     Gang rein und gab Gas. Die Beschleunigung drückte uns mit unsichtbarer Hand in die Sitze.
     
    Das Büro war zum Meer ausgerichtet, aber die uralte Klimaanlage machte zu viel Lärm, als dass wir die Wellen hören konnten.
    Ich saß vor einem Mann, der genauso dunkel war wie die Dämmerung. Er war Ende sechzig, das Haar schneeweiß, aber die Narbe,
     die sich von seinem Mundwinkel bis zum Ohr erstreckte, |415| war so deutlich zu sehen wie bei unserer ersten Begegnung vor zehn Jahren. Sein Blick war immer noch leer, als wäre der Mensch
     in seinem Inneren längst gestorben. Er war ein Mann, dem es nichts mehr ausmachte, Schmerz zu ertragen, und der durchaus einen
     Druck verspürte, Schmerz zu verursachen, zu verletzen.
    Ich schob die DVD-Hülle über den Schreibtisch zu ihm hin.
    »Sie brauchen einen Übersetzer«, sagte ich.
    »Für welche Sprache?«, fragte er mit starkem Akzent.
    »Afrikaans.«
    »Sie können für mich übersetzen.«
    »Ich denke, wir würden beide eine objektive Übersetzung bevorzugen.«
    »Ich verstehe.« Er griff nach der Hülle und öffnete sie. Die Disc schimmerte silbern und neu. »Darf ich fragen, warum Sie
     das tun?«
    »Ich würde gern sagen, weil ich an Gerechtigkeit glaube, aber das wäre nicht wahr. Es ist, weil ich an Rache glaube.«
    Er nickte langsam und schloss die Hülle.
    »Ich weiß«, sagte er und streckte mir die Hand hin. »Wir sind verwandt.«
     
    Als ich mittags hinaus in die drückende Hitze von Mosambiks Hauptstadt Maputo trat, piepste mein Handy über das Rauschen des
     indischen Ozeans hinweg. Ich zog es aus der Tasche und winkte den Mietwagen heran. Ich las die Nachricht.
    Nur drei Worte:
EMMA IST WACH.

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    Ich muss gestehen, ich hatte Erwartungen an den Augenblick, in dem ich in Emmas Krankenzimmer kommen würde.
    Keine unrealistischen Erwartungen, wie beispielsweise, dass Emma ihre Arme um mich schlang und mir ihre Dankbarkeit und Liebe
     ins Ohr flüsterte.
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