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Weiße Stille

Weiße Stille

Titel: Weiße Stille
Autoren: Alex Barclay
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Leitung. Sie redete sehr schnell. Mike zog rasch die Speisekarte zu sich heran, zückte seinen Kuli, kritzelte etwas auf die Seite und nickte beim Schreiben. »Okay. Bob und ich machen uns gleich auf den Weg«, sagte er schließlich und beendete das Gespräch.
    »Oh nein.« Bob seufzte. »Dieses ›gleich‹ gefällt mir gar nicht.«
    »Tut mir leid, alter Junge«, sagte Mike. »Aber du wirst am kältesten Januartag, den es in Breckenridge seit fünfzig Jahren gab, einen steilen Berg erklimmen.«
    »Lieber Gott, nein!« Bob stöhnte und schaute auf die Uhr. »Es ist Viertel nach drei, Mann. Ich bin schon fast zu Hause. Warum soll ich mich da noch als Bergsteiger versuchen?«
    »Der Such-und Rettungsdienst hat einen anonymen Hinweis bekommen. Es hörte sich alles ziemlich verrückt an, aber sie haben es trotzdem überprüft. Und stell dir vor – sie haben auf einem Schneefeld oben am Quandary Peak eine Leiche gefunden.«
    »Was?«
    Mike nickte.
    »Verdammt.« Bob riss die Augen auf, als die Kellnerin mitseiner Pizza an den Tisch kam. Er umklammerte den Arm der jungen Frau. »Pack sie in einen Karton, Schätzchen«, sagte er. »Dafür liebe ich dich. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr.«

    Der Quandary Peak mit seinen 4350 Metern Höhe war ein unberechenbarer Gipfel, gefürchtet wegen der plötzlichen Wetterstürze. Der Berg mit seinen steilen, glatten Flanken hatte bereits mehr als eine Bergsteigergruppe zur Umkehr gezwungen, ehe die Alpinisten die Chance gehabt hatten, auch nur in die Nähe des Gipfels zu kommen. Binnen Minuten konnte der Fels des Quandary vereisen, oder ein Schneesturm toste über die Grate und Wände, doch heute schien erstaunlicherweise die Sonne. Zwischen Drehkiefern versteckte, zweihundert Jahre alte Goldgräberhütten markierten die Baumgrenze, die sich knapp tausend Meter unterhalb des felsigen Gipfels befand, der zu den höchsten in Colorado zählte.
    Auf der Südseite des Berges, wo sich ausgedehnte Schneefelder befanden, verlief die zweieinhalb Meilen lange Blue Lakes Road, die vom Highway 9 abzweigte. Im Winter wurde eine Straßenseite mit dem Schneepflug geräumt, um den Touristen die Zufahrt zu den Skigebieten zu ermöglichen. An einem Wanderparkplatz, durch ein Hinweisschild gekennzeichnet, hatte sich eine kleine Gruppe freiwilliger Helfer des Berg-und Rettungsdienstes versammelt. Doch bei einer Temperatur von minus sechzehn Grad Celsius zogen die meisten Mitglieder des Rettungsteams es vor, in ihren Geländewagen zu warten, in denen die Heizungen auf höchster Stufe liefen. Keiner der Männer war professioneller Bergretter; sie arbeiteten in den verschiedensten Berufen. Doch jeden Mittwochabend kamen sie zusammen, um den Ernstfall zu proben. Die Männer waren zwischen zweiundzwanzig und zweiundsechzig, alle bergerfahren, motiviert und unerschrocken.
    Ein Ford 150 war das letzte Fahrzeug in der Reihe. Er gehörte Denis Lasco, dem übergewichtigen Gerichtsmediziner von Summit County, der – je nachdem, mit wem man über ihn sprach – die Spitznamen »Yeti« oder »Gletscherleiche« trug.
    »Was sagst du dazu, dass der Yeti schneller hier gewesen ist als wir?«, fragte Mike Delaney.
    »Er hat bestimmt einen Platz für seinen Winterschlaf gesucht«, meinte Sheriff Bob Gage.
    »Der Dicke hat eher was zu futtern gesucht.«
    »Okay, Mike, genug der dummen Scherze. Wir müssen los.«
    »Du zuerst. Du bist der Boss.«
    Einer der Freiwilligen kam zu ihnen, als sie aus dem Jeep stiegen.
    »Tag, Sheriff Gage«, grüßte er. »Hallo, Hilfssheriff.«
    »Hallo, Sonny«, begrüßte Bob den jungen Mann. »Mike, das ist Sonny Bryant. Sein Vater Harve und ich kennen uns schon eine halbe Ewigkeit. Und Sonny kenne ich seit neunzehn Jahren. Damals hat er noch in die Windeln geschissen.«
    »Diese Phase habe ich jetzt hinter mir«, sagte Sonny lachend.
    »Aber mit dem Alter kommt sie wieder«, meinte Bob. »Das ist wie ein Modetrend. Ich bin nur noch ein paar Jahre davon entfernt, dass ich wieder Windeln brauche.«
    Sonny und Mike lachten.
    »Freut mich, Sonny.« Mike schüttelte dem jungen Mann die Hand.
    »Ganz meinerseits, Sir.«
    »Also, was haben wir?«, fragte Bob.
    »Keine erfreulichen Neuigkeiten. Oben am Schneefeld liegt eine Leiche«, sagte Sonny.
    »Mann oder Frau?«
    »Ich glaube, dazu darf ich nichts sagen«, erwiderte Sonny verlegen. »Mr. Lasco …«
    Bob verdrehte die Augen. »Lass mich raten. Mr. Lasco wollte es dir nicht sagen.«
    Sonny lächelte schüchtern. »Stimmt.«
    »Das ist
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