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Weiße Stille

Weiße Stille

Titel: Weiße Stille
Autoren: Alex Barclay
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Haarsträhne der Toten in seinen Nasenlöchern. Er schüttelte heftig den Kopf, um die Haare loszuwerden. Dabei rollte die Leiche zur Seite, und Lasco sah eine große Austrittswunde am Rücken der Frau, die ein Geschoss gerissen hatte: Eine rotschwarze, breiige Masse hatte den Schneeanzug durchdrungen.

    Auch Sonny Bryant wurde von den zu Tal rasenden Schneemassen erfasst und davongerissen. Als die Lawine zum Stillstand kam, war Sonny fast völlig unter dem Schnee begraben. Nur eine Hand, die in einem Fäustling steckte, ragte aus dem Weiß. Sonny wusste, dass er sterben musste: Seine Gliedmaßen waren zerquetscht. Ehe Helfer die Schneemassen von seinem Körper schaufeln konnten – falls sie ihn überhaupt fanden –, würden Gifte in seinen Blutkreislauf strömen und ihn umbringen, sofern er nicht vorher an Unterkühlung oder am Blutverlust starb.
    Sonny schloss die Augen. Er wollte nicht in die schneeweiße Leere schauen, denn er wusste nicht, ob ihn dort, wohin er bald gehen würde, ebenfalls eine solch trostlose Leere erwartete.

5.
    In einiger Entfernung sah Bob irgendetwas Blaues aus dem Schnee ragen. Er drehte sich auf die Seite und stemmte sich auf die Knie. Dann kroch er mühsam den Schneehang hinauf zu dem blauen Gegenstand und kämpfte sich verbissen voran. Er sah, dass es eine Hand war, die in einem blauen Handschuh steckte. Bob rappelte sich auf, trampelte sich durch den Schnee einen Pfad dorthin, ließ sich auf die Knie fallen und begann zu graben.
    »Wir holen dich da raus!«, rief er keuchend. »Halt durch!«
    Einen Augenblick glaubte er, es könnte die Leiche sein, die unter dem Schnee lag, doch als er seinen Fäustling abstreifte und die Hand ergriff, konnte er fühlen, wie die Finger zuckten.
    »Komm schon!« Bob zog den Fäustling wieder über seine Hand und grub schneller, um einen Luftschacht zu demjenigen zu graben, der unter dem Schnee begraben lag. Doch rasch erlahmten seine Kräfte. Die Hand im blauen Fäustling zuckte wieder, und Bob hörte ein schmerzerfülltes, dumpfes Stöhnen. Verzweifelt glitt sein Blick über die leere weiße Fläche ringsum.
    »Hilfe«, rief er. »Hilfe!«
    Verbissen grub er weiter und schaufelte den Schnee zur Seite. Seine Arme zitterten, sein Herz pochte wild. Adrenalin strömte durch seinen Körper. Für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen, doch er hörte nicht auf, er durfte nicht aufhören. In seiner Panik konnte er nicht einschätzen, wie schnell die Zeit verging. Hatte er eine Chance, oder war es bereits zu spät? Waren Stunden vergangen oder nur Minuten?
    Schließlich hörte er, wie der Verschüttete keuchend Luft holte.
    »Gott sei Dank«, stieß Bob hervor. »Wer ist da unten?«
    Die Stimme war sehr schwach. »Sonny.«
    »Okay, halt noch ein klein bisschen durch. Wir haben’s gleich geschafft. Ich hole Hilfe. Wir holen dich da raus, verstanden?«
    Bob hörte Sonnys gedämpfte Antwort. Schwer atmend setzte er sich in den Schnee und löste das Funkgerät von seinem Gürtel. Wie durch ein Wunder funktionierte es noch. Bob funkte die Leute am Wanderparkplatz an, einen Rettungshubschrauber anzufordern. Der Helikopter war in Frisco stationiert, zehn Meilen nördlich von Breckenridge.
    »Ich muss rasch nachsehen, was mit Lasco passiert ist«, sagte er zu Sonny, nachdem er den Funkspruch durchgegeben hatte. »Ich bin sofort wieder bei dir.«
    Tatsächlich entdeckte Bob Denis Lasco gut dreißig Meter entfernt neben einer kleinen Baumgruppe. Er lag auf dem Rücken im Schnee. Bob ließ sich auf die Knie fallen und überprüfte Lascos Puls. Das Herz schlug noch, doch es gelang ihm nicht, den Mann wachzurütteln.
    Schneefall hatte eingesetzt.
    »Lasco, verdammt, wenn ich zurückkomme, bist du wach«, sagte Bob, ehe er zu Sonny zurückstapfte und sich wieder in den Schnee fallen ließ. Er zog einen seiner Schneeschuhe aus und grub Sonnys Kopf und die Schultern frei. Doch der Rest des Körpers wurde von den Schneemassen so stark zusammengepresst, dass Bob seine Angst verbergen musste.
    »Du musst etwas trinken.« Bob nahm eine Flasche Wasser aus seiner Jacke und hielt sie Sonny an die Lippen. Sonnys Augen fielen langsam zu.
    »Bleib wach!«, rief Bob. »Du darfst nicht einschlafen, verstanden? Ich bin es, der sich hier abrackern muss! Wenn hier jemand einschläft, dann ich.« Er wischte sich mit dem Ärmel über die schweißnasse Stirn.
    Sonny lächelte benommen und trank ein paar Schluck.
    Bobs Blick glitt auf der Suche nach Mike über den Schnee, doch er sah
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