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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht
Autoren: Nicola Förg
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durchrasen? Gerade am Morgen! Nö, unmöglich! Und außerdem sind das
Herbstkatzen. Die sind besonders zart und brauchen viel Zuwendung.«
    Während Gerhard
versucht hatte, Jos Mauer der Ablehnung zu durchbrechen, machte so ein kleiner
zarter Tiger Männchen vor seinem Weißbierglas und starrte gebannt auf die
kleinen Perlchen, die im Glas aufstiegen. Noch mehr Streckung, die Pfote ins
Glas getaucht – und rumms: ein schepperndes Glas und eine Sturzflut. So was von
zart, das Tierchen, und schnell. Es sauste pfeilgerade unter die Couch.
    »Scheiße!« Gerhard
war aufgesprungen, die Jeans klatschnass.
    Der kleine Tiger,
der inzwischen seinen Schutz wieder verlassen hatte, zwei weitere getigerte
Exemplare und ein schwarzweißes Tier mit viel zu großen Ohren, hatten im
Türrahmen Position bezogen und verfolgten mit riesigen Kulleraugen, was da los
war.
    »Herrgott, ihr
Doofen, ja, euch meine ich. Von euch reden wir. Euer Frauchen gibt nun schon
zehnseitige Adoptionsbögen aus, aber niemand im Orbit ist auch nur ansatzweise
gut genug, euch zu beherbergen«, hatte Gerhard in ihre Richtung gesagt. Und was
hatten die getan? Gegähnt, ihn einfach angegähnt!
    Bianchi von
Grabenstätt, die Mutter der Kompanie, hatte seine Rede aus einem Brotkorb am
Tisch verfolgt und entstieg diesem nun elegant wie eine Göttin. Elegant war
sie, wenn auch nicht schön, fand Gerhard. Sie war, etwas farbschwach, weiß mit
Ringelschwanz und einem Tigerfleck hinterm Ohr. Sie streckte sich, sprang auf
Gerhards Schoß, sah ihm tief in die Augen und hackte ihm dann im Runterspringen
eine Kralle in den weißbiernassen Oberschenkel. Red nicht so über meine Kinder!
    Jo verfolgte ihr Tun
mit Stolz. »Kluge Katze! Der versteht nicht, wie süß ihr alle seid.«
    »Ja, sicher sind die
süß, alle. Aber du kannst nicht vier kleine Katzen behalten, dann hast du
insgesamt sieben. Außerdem werden die größer! Und dann wollte ich eigentlich
nicht den ganzen Abend über Katzen reden. Ich wollte eigentlich …« Seine
Stirn-Dackelfalten hatten sich vertieft.
    »Was wolltest du?
Was heißt das eigentlich?«, hatte Jo gefragt, in einem Ton, der ihm nur allzu
bekannt war. Alarm!
    »Ich wollte was mit
dir besprechen, na ja, besser, ich wollte dir was sagen.«
    »Herrgott, Gerhard,
ja dann spuck es halt schon aus!« Jo hatte gelacht. »Muss ich mich setzen? Hast
du ‘ne Affäre mit Patti? Oder mit sonst wem?«
    Gerhard schaute noch
faltiger. Er spürte ein Gefühl von seinem Magen her aufsteigen, eine
unbestimmte Übelkeit. Diesen kalten Frosch, diese Kröte, diesen Klops.
    »Hast du eine
Affäre? Gerhard? Willst du mich loswerden?«, hatte Jo gefragt und ihn dabei so
entsetzt angeschaut, dass er sie am liebsten sofort in den Arm genommen hätte.
    Gerhards Stirn
entknitterte sich wieder ein wenig. »Nein, ich habe keine Affäre, und ich will
dich nicht loswerden. Es ist nur so, dass ich …«
    »Dass du?«
    »Dass ich weggehe.«
Nun war es raus. Sakrament, du fiechtiger Brocka, hatte er noch gedacht, das
war ja nun wieder alles andere als diplomatisch formuliert.
    »Wie, weg?«
    Gerhard hatte tief
durchgeatmet, Jo geradewegs angeschaut und gesagt: »Ich werde nach Weilheim
gehen an die dortige Polizeidienststelle. Als Vertretung und zur Probe für drei
Monate. Der alte Chef geht demnächst in Pension, ich könnte sein Nachfolger
werden. Aber erst mal will ich rausfinden, ob es mir da taugt«, hatte er noch
versucht abzuwiegeln.
    »Wann?«, hatte Jo
mit Grabesstimme geflüstert.
    Gerhard hatte das
Weißbierglas wieder aufgestellt und starrte das Glas an, als sei es eine
Kristallkugel, die Erkenntnis verspräche. »Am Mittwoch.«
    »Mittwoch?« Er sah
es Jo an, dass sie sich bisher zusammengerissen und ihr Temperament gezügelt
hatte, aber nun war da nichts mehr zu schlucken, unmöglich! Das hatte er
verstanden. Sie hatte gebrüllt.
    »Mittwoch? Das ist
in drei Tagen! Merkst du, was du da sagst? Du gehst nach Weilheim, und das
erfahre ich drei Tage vorher? Du Arschloch, du, du …«
    Gerhard war
aufgestanden, hatte das Glas zur Spüle getragen. Arschloch war einfach zu viel.
Er redete zur Spüle:
    »Weilheim ist doch
nicht aus der Welt. Es gibt Wochenenden, es ist doch wirklich nur zur Probe.«
    »Lass das
beschissene Glas stehen. Los, schau mich an! Bist du total bescheuert? Wo
Weilheim liegt, ist doch scheißegal. Wieso hast du mir nie erzählt, dass du so
was planst? Wieso? Bin ich auch bloß zur Probe?« Ihre Stimme war gekippt. Die
schrillen Tiraden
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