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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht
Autoren: Nicola Förg
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abgeebbt. Sie war auf einmal ganz leise geworden, die Tränen
hatten begonnen zu fließen. »Gerhard, so was entscheidet man doch nicht an einem
Tag. Wieso hast du nie was erzählt? Wir sind doch, wir sind doch Freunde?«
    Er hasste Tränen, er
konnte damit nicht umgehen. Er fühlte sich dann immer so unbeholfen. Immer wenn
eine Frau weinte, wurde er erst recht brummig und am Ende aggressiv – aus Unsicherheit.
Und Freunde? Waren sie das? Natürlich waren sie Freunde, Freunde, die sich so
oft verloren hatten und immer wiedergefunden. Freunde, die sich die miesesten
Seiten zugemutet und manches Mal die besten entdeckt hatten. Ob sie allerdings
ein Paar waren, das lag immer noch unausgesprochen in der Luft seit dem Herbst.
Sie waren zusammen, irgendwie. Sie schliefen miteinander, nicht häufig, aber
doch. Es hatte sich etwas verändert, aber dieses Etwas war nie definiert
worden. Gerhard wusste, was Jo dachte. Weil er das auch gedacht hatte.
Unentwegt hatte er diesen Gedanken gedreht und gewendet und verwirbelt und von
vorne begonnen. Sie hatten so viele Jahre gebraucht, sich zu finden, als Paar
zu finden. Und ausgerechnet jetzt. Aber was hieß »ausgerechnet jetzt«? Selbst
wenn er nach Weilheim ging, gäbe es eine Zukunft. An Wochenenden, oder aber Jo
würde mitkommen können. Wieso denn nicht? Langsam war er auf Jo zugegangen.
    »Natürlich sind wir
Freunde. Das weißt du doch! Waren wir immer! Und nun sind wir mehr. Ich hätte
mir gewünscht, das Angebot wäre früher gekommen oder auch später. Nicht gerade
jetzt. Aber ich musste mir erst klar werden, was ich will. Und ja, ich will
nach Weilheim. Zumindest muss ich es probieren. Schau, das sind hundert
Kilometer, es gibt Wochenenden, ich komme, du kommst. Und dann dachte ich, na
ja, vielleicht würdest du ja später mitkommen können. Da gibt es auch
Touristen, ich meine, so toll ist dein Job hier ja nicht, du hast so viel Ärger
mit deinem Bürgermeister, all den Gscheitnäsigen, die in den touristischen
Gremien sitzen.«
    »Du weißt, wie toll
mein Job ist?«, hatte sie ihn angebrüllt. »Ich soll mit dir in irgendein
beschissenes Weilheim gehen, und das erfahre ich drei Tage vor deiner Abreise?
Verdammt, hast du nie daran gedacht, mich mal an deinem Entscheidungsprozess
teilnehmen zu lassen? Mich mit einzubeziehen?«
    »Ja, hab ich!« Er
wurde nun auch lauter. »Aber ich musste das erst für mich klar kriegen! Und
außerdem«, war es aus ihm herausgebrochen, »geht es in deinem Haushalt seit
Wochen nur um Katzen! Um deren Adoption oder auch nicht. Wie goldig sie sich
putzen. Wie reizend sie schon Nassfutter fressen. Wie klug sie an deinem Bein
hochrennen. Wie süß sie schon aufs Klo gehen können. Dich interessieren Tiere
doch weit mehr als Menschen. Tiere haben deine bedingungslose Zuneigung.
Menschen selten oder nie!«
    Ja – und dann hatte
sie ihn mit gepresster Stimme gebeten zu gehen und ein »viel Spaß auf deinem
weiteren Lebensweg« hinterhergeschickt. Okay, das mit den Katzen war unfair
gewesen, aber sonst? Frauen wollten immer jeden einzelnen Schritt miterleben,
mitdenken und mitreden. Er aber, und da waren seine Kumpels genauso gepolt,
teilte nun lieber mal Endergebnisse mit. Was interessierte der Rechenweg, das
Ergebnis zählte. Aber wie sollte er das einer Frau erklären, wie das Jo
erklären, gerade Jo? Trotzkopf, Brausewind! Nun war er hier. Es gab sicher
Gesprächsbedarf, aber zuerst war da eine Leiche. Gut so!

3
    Als Gerhard an
seiner neuen Arbeitsstelle ankam, erwarteten ihn Baier und Frau Kassandra. Die
raunachtskundige Schamanin war gekommen, ihr Protokoll zu unterzeichnen. Sie
war nicht davon abzubringen, dass Raunächte Losnächte seien und ein Toter unter
Eiben ausgerechnet am Thomastag kein Zufall sein könne. Gesehen hatte sie
nichts, niemanden getroffen. Wenn die Einschätzung von Sandy Feistl stimmte,
war das auch unwahrscheinlich, denn wenn der Mann gegen Morgen ums Leben
gekommen war, dann war sein Mörder längst über alle Berge gewesen, als Frau
Kassandra und ihr schwindsüchtiger Pinscher gegen drei dort aufgetaucht waren.
    Als Gerhard sie
fragte, wo sie denn so den gestrigen Tag verbracht hatte, sprang sie auf und
zeterte: »So, das ist der Dank! Da meldet man etwas, und die Staatsmacht
schlägt sofort zurück. Bin ich jetzt verdächtig?« Weil Frauchen so laut
geworden war, begann Plinius zu heulen, was wie bei allen Kleinhunden das Gehör
aufs Martialischste quälte.
    »Kann der die
Schnauze halten?«, fragte
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