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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht
Autoren: Nicola Förg
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Tiere. Tiere reden in diesen Nächten!«, stimmte
Karli zu.
    »Das darf der Herr
Pfarrer aber nicht wissen. So was glauben doch bloß Heiden«, flüsterte
Schorschi gerade so, als würde ihn der Pfarrer sonst hören.
    »Ach der!«, bellte
Karli, nahm sein Messer und ritzte sich in den Unterarm. »Blutsbrüder der
redenden Tiere. Die Unzertrennlichen, Ochs, Esel, Schaf und Kamel. Oder seid
ihr zu feig?«
    Hansl hatte das
Messer schon angesetzt, Paul auch, und Schorschi schaffte es schließlich auch.
    Feierlich rieben sie
die Arme aneinander und flüsterten die Worte: »Wir sind Ochs, Esel, Schaf und
Kamel. Wir haben magische Fähigkeiten. Wir sind die Unzertrennlichen und
unbesiegbar.«

1
    Gerhard lächelte.
»Horch in di nei, Bua«, hatte seine Mutter gesagt. »Loos gscheid und dann dua
eabbas räächts.« In sich reinhören, das klang ihm doch wirklich zu sehr nach
Selbstfindungsseminar. Schön, dass wir darüber geredet haben? Aber er wusste,
was seine Mutter ihm hatte vermitteln wollen: Folge deiner Intuition, du machst
das schon richtig.
    Er war gefahren,
aber war das nun richtig? So sehr er auch horchte, sein Inneres blieb ihm eine
Antwort schuldig. Er war unterwegs an diesem nasskalten Tag. Die Entscheidung
war also gefallen. In seinem VW -Bus
purzelten einige Rucksäcke durcheinander, sein Mountainbike und Tourenski. Mehr
hatte er erst mal nicht dabei. Er hätte wirklich gern etwas gefühlt: Trauer,
Unwohlsein, Unruhe, aber da war nichts. Meine Seele ist ebenso grau wie der
Himmel, dachte Gerhard, wahrscheinlich bin ich ein gefühlloser Klotz.
Eigentlich hätte er ja erst am 2. Januar anfangen sollen, aber die Aussicht,
Weihnachten in Kempten zu verbringen, war wenig prickelnd. Er hätte mit Jo
feiern können, aber nach dem Ärger der letzten Tage konnte er sich nicht
überwinden anzurufen. So hatte er beschlossen, sich schon mal ein Bild von
seiner neuen Arbeitsstelle zu machen.
    Er fingerte nach
einem Stück Papier, die Mail, auf der die neue Dienststelle die Anschrift
seiner Wohnung verzeichnet hatte. Gerhard war froh, dass sie ihm etwas besorgt
hatten. Sein zukünftiger Kollege Peter Baier oder besser dessen Frau hatte das
arrangiert.
    »Meine Frau ist ein
wandelndes Ehrenamt«, hatte Baier am Telefon gesagt. »Orgelverein, Nachhilfe
für die Minderbemittelten, Bürger für Bürger, Rentner für Kinder, Bauern für
Städter, Mediatoren für die Zwiderwurzen dieser Welt – was weiß ich alles.
Meine Frau kann arbeiten wie eine Besessene, darf bloß nichts sein, wo man
eventuell Geld damit verdienen würde. Eine Bekannte von ihr, ganz ähnlich,
Weinzirl! Ganz ähnlich! Bei denen haben Sie die Wohnung. Skurrile Familie, aber
sehr nett. Wird Ihnen gefallen.« Er ließ offen, ob er die Familie oder die Wohnung
meinte.
    Gerhard hatte sich
über Baiers reduzierten Sprechstil mehrfach schon amüsiert. Der Mann schien
Verben zu hassen, und wenn, dann beschränkte er sich auf »sein«, »haben« und
andere Hilfsverben, wenn’s irgendwie ging. Gerhard fand das beruhigend. Kein
Schwätzer. Außerdem verstand er Baier: Wenn das Leben zur Routine wurde, dann
brauchte man nicht mehr so viele Worte zu verwenden.
    Auch deshalb wollte
er etwas Neues erproben. Gegen die Routine, gegen die Sprachlosigkeit. Die
Stelle war ausgeschrieben gewesen, eine A 13. Gerhard hatte sich eigentlich nur
so nebenbei als Gag beworben, in der tiefen Überzeugung, dass ihm für den
ersten Kriminalhauptkommissar der Hintern viel zu tief hing. Da würden sich
ganz andere Kaliber bewerben. Und nun wollten sie ihn als Nachfolger für Peter
Baier. Gerhard war nur abgeordnet für jene Monate, die Baier noch im Dienst
sein würde. Er könnte zurück, zumal Evi momentan den Laden in Kempten nur
kommissarisch leitete.
    Der Deal war einer
mit Netz und doppeltem Boden, er war eine Schau-mer-mal-Konstellation. Aber
Weilheim war im Prinzip genau nach Gerhards Sinn. Die oberbayerische Kreisstadt
war keine Großstadt. Sein Ausflug nach Augsburg hatte ihm schon gereicht. Eine
Karriere in München war für ihn undenkbar. Gerhard konnte und wollte dort
arbeiten, wo es keine Autobahnkreuze und keine Staus gab. Höchstens mal den
Stau hinter einem Traktor oder einer Kuhherde, die unterwegs war zum
abendlichen Melken im heimischen Stall. Er hatte mal gelesen, dass der moderne
Großstädter ein Jahr seines Lebens in Staus zubrachte. Das war doch pervers!
    Er fuhr gerade durch
Hohenpeißenberg. Der Nebel war dick wie in einem Dampfbad, wenn die Düse auf
der
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